May will Sicherheitsabkommen mit EU bis Ende 2019

Die britische Premierministerin Theresa May
Die britische Premierministerin Theresa May(c) REUTERS (Ralph Orlowski)
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Die britische Premierministerin hat ein Sicherheitsabkommen mit der EU nach dem Brexit vorgeschlagen. EU-Kommissionspräsident Juncker hat Vorbehalte gegen einen Ausbau der Verteidigungspolitik zurückgewiesen. Gabriel warb für ein starkes Europa

Die britische Premierministerin Theresa May hat ein schnelles Sicherheitsabkommen mit der EU gefordert. Bereits 2019 sollte eine Vereinbarung in Kraft treten, die eine Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Außenpolitik auch nach dem Brexit Ende März 2019 sichere, sagte May am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Großbritannien sei bereit, auch nach dem EU-Austritt an einigen EU-Programmen mitzuarbeiten und dafür auch Geld bereitzustellen. Als Beispiele nannte sie die Militärforschung, in dem der britische Anteil in Europa bei 40 Prozent liege, sowie Weltraumaktivitäten, gemeinsame militärische Aktionen und die Entwicklungshilfe. Im Gegenzug möchte Großbritannien aber an Entscheidungen über die Ausrichtung beteiligt sein, machte May klar.

Die Regierungschefin deutete zudem an, dass ihre Regierung bei solchen Programmen auch die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes akzeptieren werde. May forderte zudem eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen von Europol sowie des europäischen Haftbefehls. Dies sei in beiderseitigem Interesse.

Kein zweites Referendum

May machte damit klar, dass sie mit der EU bereits in der jetzigen Phase und vor dem Auslaufen der bis Ende 2020 geltenden Übergangsphase getrennte Abkommen im Sicherheitsbereich mit der EU schließen will. "Wir sollten nicht warten, wo es nicht nötig ist", drängte May. Mit der EU ist bisher ein schrittweiser Ansatz vereinbart, in dem zunächst das Austrittsabkommen und dann das zukünftige Verhältnis verhandelt wird.

Ein zweites Referendum über den britischen EU-Austritt lehnte May ab. "Wir werden die EU verlassen", betonte sie. Sie forderte von der EU Dialogbereitschaft. Es gehe nicht um institutionelle Fragen, sondern darum, wie man die Bürger am besten schützen könne. Dies gehe durch eine enge Zusammenarbeit, die über das hinausgehe, was die EU mit Drittstaaten bisher vereinbart habe. May hatte sich am Freitag in Berlin auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen, um ihr die Ideen für ein gesondertes Sicherheitsabkommen mit der EU vorzustellen.

Juncker verteidigt Ausbau der EU-Verteidigungspolitik

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat Vorbehalte gegen einen Ausbau der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zurückgewiesen. Es habe lange Zeit Klagen gegeben, dass die Europäische Union nicht genug für ihre Verteidigung tue, sagte Juncker am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. "Jetzt machen wir das, und jetzt ist das auch nicht Recht", beklagte der Kommissionschef.

Tatsächlich wolle sich die Europäische Union in der Verteidigungspolitik "emanzipieren, aber wir emanzipieren uns nicht gegen die Nato und nicht gegen die Vereinigten Staaten", sagte Juncker. Es sei festgelegt worden, dass in Verteidigungsfragen die "Nato und die Europäische Union komplementär sein müssen, und das werden sie auch bleiben".

Um verteidigungspolitisch handlungsfähig zu sein, müsse die EU allerdings ihre Entscheidungsprozesse verändern, sagte Juncker. Seine Kommission wolle "demnächst Vorschläge dazu unterbreiten". Es könne "nicht so bleiben, dass wir in Sachen Außen- und Verteidigungspolitik politische Einstimmigkeit erreichen müssen".

Auf diese Weise könne die EU "keine Weltpolitik" machen. Dies zeige sich etwa daran, dass die EU-Staaten keine einheitliche Position zu Menschenrechtsverstößen in China oder in der Jerusalem-Frage gefunden hätten.

Gabriel wirbt für ein starkes Europa

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat sich eindringlich für eine stärkere Rolle Europas in der Welt ausgesprochen. "Europa braucht auch eine gemeinsame Machtprojektion in der Welt", sagte er am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, sich militärisch zu engagieren.

"Als einziger Vegetarier werden wir es in der Welt der Fleischfresser verdammt schwer haben." Gabriel begründete seine Forderung vor allem mit einer abnehmendem Rolle der USA in der Welt und einem Erstarken Chinas. Es finde gerade eine "Verschiebung der Weltordnung mit unabsehbaren Konsequenzen" statt. Gabriel beklagte die Unsicherheit, die auf Seiten der USA seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump entstanden sei. "Wir sind uns nicht mehr sicher, ob wir unser Amerika noch wiedererkennen", sagte er.

Gleichzeitig spiele China eine immer größere Rolle in der Welt. "Mit dem Aufstieg Chinas werden sich die Gewichte in der Welt massiv verschieben", sagte Gabriel. Die "Systemalternative", die China anstrebe, entspreche aber nicht den westlichen Vorstellungen von einer liberalen Weltordnung. "Wo aber die Architektur der liberalen Ordnung bröckelt, werden andere beginnen, ihre Pfeiler in das Gebäude der liberalen Welt einzuziehen, und auf Dauer wird sich dabei das gesamte Gebäude verändern", sagte der Außenminister, der nur noch geschäftsführend im Amt ist.

"Niemand sollte versuchen, die EU zu spalten"

Daraus ergibt sich für Gabriel die Notwendigkeit eines stärkeren und vor allem geschlossenen Europas: "Für uns Europäer muss klar sein, um in einer Welt von morgen unsere Werte, unseren Wohlstand, unsere Sicherheit zu behaupten, müssen wir zusammenstehen." Die Europäische Union dürfe sich auch nicht durch andere auseinanderdividieren lassen. "Niemand sollte versuchen, die Europäische Union zu spalten: nicht China, nicht Russland, aber auch nicht die Vereinigten Staaten."

Gabriel forderte konkrete europäische Initiativen. Er nannte als Beispiele den Ausbau von Infrastruktur bis Zentralasien und eine Wiederannäherung an Russland. "Russland sollte in uns etwas anderes sehen als einen Gegner", sagte der frühere SPD-Chef. Auch in Afrika, wo derzeit vor allem China aktiv ist, sei ein stärkeres europäisches Engagement nötig. "Wir müssen aufhören, Afrika immer zuerst als Problemregion zu sehen."

Was die aktuelle Sicherheitslage angeht, zeichnete Gabriel ein düsteres Bild. Die Welt steht seiner Einschätzung nach zu Beginn des Jahres 2018 an einem gefährlichen Abgrund. "Berechenbarkeit und Verlässlichkeit sind derzeit anscheinend die knappsten Güter in der internationalen Politik", sagte er. Der Syrien-Konflikt bewege sich nach sechs blutigen Jahren als Bürger- und Stellvertreterkonflikt in eine Richtung, "die akute Kriegsgefahr selbst für unsere engen Partner" bedeute. Zudem könne der olympische Frieden die "brandgefährliche Eskalation rund um das nordkoreanische Atomrüsten" vorerst nur bremsen.

Letzte große Rede?

Gabriel warnte zugleich die USA vor einer Gefährdung des Atomabkommens mit dem Iran. "Wir raten unseren amerikanischen Freunden, dieses Abkommen nicht scheitern zu lassen", sagte er. "Wir haben dieses Abkommen in Partnerschaft verhandelt, und wir wollen und werden es nicht aufgeben." Zugleich müssten die Partner gemeinsam Strategien auf den Weg bringen, um einen destabilisierenden Einfluss der iranischen Politik in der Region deutlich zurückzudrängen. Das bedeute auch, dass sich die Partner gemeinsam für eine politische Lösung der Kriege in Syrien und Jemen einsetzen müssten. "Nur so stellen wir uns erfolgreich gegen eine regionale Hegemonie Irans auf", sagte Gabriel.

Die Rede Gabriels war mit Spannung erwartet worden, weil nicht klar ist, ob er bei einer großen Koalition einer neuen Regierung angehören wird. In der SPD-Spitze gibt es großen Widerstand dagegen. Gabriel selbst hat mehrfach erklärt, dass er das Amt gerne behalten würde.

(APA/dpa/Reuters)

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