Das Holocaust-Gesetz und der tschechische "Opfer-Mythos"

Archivbild: Tomio Okamura
Archivbild: Tomio Okamura(c) imago/CTK Photo (Ondrej Deml)
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Plötzlich ist auch in Prag eine Diskussion über die tschechische Rolle über Kollaboration in der Zeit der NS-Besatzung ausgebrochen.

Als vor ein paar Jahren in der Lobby des tschechischen Abgeordnetenhauses eine Ausstellung über das so genannte „Zigeunerlager“ im südböhmischen Lety in der Zeit der nationalsozialistischen Besatzung Böhmens und Mährens zu sehen war, erregte sie dort beträchtliche Aufmerksamkeit. In der tschechischen Gesellschaft allerdings kaum, weil über sie nicht berichtet wurde. Der Grund für diese mediale Ignoranz war einfach: Die Ausstellung rührte an ein bis dahin absolutes Tabuthema in Tschechien. Sie stellte nämlich den über Jahrzehnte gepflegten tschechischen Mythos in Frage, wonach die Tschechen zu Hitlers Zeiten ausschließlich Opfer gewesen seien, niemals auch Täter. 

Im Zuge der Debatte über das polnische „Holocaust-Gesetz“ kommt die Diskussion über Lety auch in Prag wieder in Gang. Ausgelöst hat sie ein hochrangiger Politiker, der Chef der rechtsextremen Partei SPD (Freiheit und direkte Demokratie), Tomio Okamura, der auch stellvertretender Chef Parlamentspräsident ist. Der Tschecho-Japaner hatte kürzlich in einem Fernseh-Interview Lety grob verniedlicht. Das Lager sei „nicht einmal umzäunt gewesen, die Insassen hätten sich dort frei bewegen“ können. Ein Parteifreund Okamuras nannte das Lager gar ein „nicht existentes Pseudo-Konzentrationslager“. In der Folge fordern jetzt mehrere Fraktionen im Abgeordnetenhaus, Okamura seiner Funktion zu entheben.

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