Rechts- und linksradikale Gruppierungen sorgen für Unruhe, am Wochenende sind Großdemos geplant.
Rom. Brennende Mülleimer und Rauchbomben, Wasserwerfer und Tränengas. In Turin sind am Donnerstagabend demonstrierende Antifaschisten und Polizei aneinander geraten. Etwa 400 Menschen protestierten gegen eine Wahlkampfveranstaltung der rechtsextremen Partei Casa Pound. Sechs Polizisten sollen bei den Zusammenstößen laut Medienberichten verletzt, zwei Demonstranten festgenommen worden sein. Für diesen Samstag sind weitere Großdemonstrationen in Rom und Mailand angemeldet.
Wenige Tage vor den Wahlen am 4. März ist die Stimmung in Italien aufgeheizt und angespannt, Berichte über politisch motivierte Gewalt häufen sich. In Palermo wurde am Dienstag der dortige Chef der neofaschistischen Forza Nuova von sechs Antifa-Aktivisten auf der Straße verprügelt. Zuvor hatten sie ihn mit Klebeband gefesselt. Am selben Tag stürmten etwa 30 Anhänger der Forza Nuova in Rom in ein Fernsehstudio, um öffentlich über diesen Angriff sprechen zu können. Ebenfalls am Dienstag wurde in Perugia ein Anhänger der linksextremen Potere al Popolo mit einem Messer angegriffen, während er Plakate aufhängte.
„Invasion der Illegalen“
Auch wenn es vorher schon brodelte, die Stimmung im Wahlkampf zum Überkochen brachte ein Vorfall am 3. Februar. Der 28-jährige Luca T., Anhänger der rechtspopulistischen Lega Nord, feuerte in der Kleinstadt Macerata aus seinem Auto heraus auf Menschen mit dunkler Hautfarbe. Sechs Migranten wurden zum Teil schwer verletzt. Zuvor war in demselben Ort die zerstückelte Leiche einer 18-Jährigen gefunden worden. Der Tat verdächtigt sind drei Nigerianer.
Das Land war von beiden Taten geschockt. Während Lega-Chef Matteo Salvini das Thema für seinen Wahlkampf nutzte und der linken Regierung die „moralische Verantwortung“ in die Schuhe schob, weil diese eine „Invasion der Illegalen“ befördert habe, verharrte diese eher in Schockstarre. Am Donnerstag nach der Tat marschierten Sympathisanten des Angreifers durch Macerata und lieferten sich ein Gerangel mit der Polizei. Trotz eines Demonstrationsverbotes, das der Bürgermeister der Stadt ausgerufen hatte, um die Lage in seiner Gemeinde zu beruhigen, trafen sich am vergangenen Samstag dort die Anhänger der Linken, um gegen Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren. Der regierende sozialdemokratische Partito Democratico war nicht dabei.
Innenminister Marco Minniti warnte indes davor, die angespannte Situation in Italien als Ausnahmezustand zu beschreiben. Nach diesen Vorfällen solle man nicht noch mit solchen Worten eine Eskalation heraufbeschwören. „Das wahre Risiko besteht darin, einen Alarm auszulösen, der sich dann selbst befeuert.“ Der Staat habe alles unter Kontrolle, kein Gewaltakt bleibe unbestraft. Demonstration werde er nicht verbieten.
Amnesty International hingegen bestätigt die Zunahme von Feindseligkeit in der Gesellschaft. „Italien scheint mehr als andere EU-Länder Hasstendenzen zu bündeln“, sagte Amnesty-Italien-Chef Gianni Rufini. 2014 sei das Land noch stolz darauf gewesen, das Leben von Bootsflüchtlingen zu retten . „Inzwischen aber ist es durchsetzt von Feindlichkeit, Rassismus und Angst vor Fremden.“ Im Wahlkampf fielen vor allem Parteien des Mitte-Rechts-Blocks mit rassistischen Stereotypen auf, die Hass schürten.
Heute, Samstag, finden gleich mehrere große Kundgebungen statt: In Rom versammelt sich die Linke, diesmal auch mit Beteiligung der regierenden Linksdemokraten, um gegen Rassismus und Fremdenhass zu demonstrieren. In Mailand ruft Salvini die Menschen auf die Straße, um seine Wahlkampfparole „Italiener zuerst“, zu unterstützten. „Die Linke geht mit den Ausländern auf die Straße, wir mit den Italienern – mal sehen, wer mehr auf die Beine stellt“, verkündete Salvini in einem Video auf seiner Facebook-Seite. Die Angst vor weiteren Ausschreitungen ist nach den Ereignissen der vergangenen Tage noch gewachsen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2018)