Türkei fordert Auslieferung von Kurden-Politiker Salih Muslim

Salih Muslim ist in Prag festgenommen worden
Salih Muslim ist in Prag festgenommen wordenDie Presse / Clemens Fabry
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Ehemaliger Chef der PYD wurde in Prag festgenommen. PYD ist in Syrien eine Verbündete des Westens im Kampf gegen "Islamischen Staat" (IS). Ankara bezeichnet die Partei aber als "Terrororganisation".

Die Festnahme des syrisch-kurdischen Spitzenpolitikers Salih Muslim in der Tschechischen Republik sorgt für wachsende Aufregung. Die kurdischen Dachverbände in Europa forderten am Montag die sofortige Freilassung des früheren Chefs der "Partei der Demokratischen Union" (PYD). Die türkischen Behörden verlangen hingegen die rasche Auslieferung des Politikers an die Türkei. Ein dementsprechendes Gesuch sei bereits nach Prag geschickt worden, sagte am Montag der türkische Vizepremier Bekir Bozdag. Der 67-jährige Salih Muslim war bereits in der Nacht auf Sonntag in der tschechischen Hauptstadt auf der Grundlage eines von der Türkei angeforderten Interpol-Haftbefehls in Gewahrsam genommen worden.

Muslim war bis September Vorsitzender der PYD. Sie ist die führende politische Kraft in den de facto autonomen Gebieten Nordsyriens, die vor allem von Kurden, aber auch von vielen Arabern bewohnt werden. Die PYD ist eine wichtige Verbündete des Westens im Kampf gegen die Jihadisten des sogenannten "Islamischen Staates" (IS). Zugleich gilt sie aber als Schwesterorganisation der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die einen Untergrundkampf gegen den türkischen Staat führt. Ankara bezeichnet die PYD deshalb als "Terrororganisation".

Ende Jänner meinte Salih Muslim dazu in einem Interview mit der "Presse am Sonntag": "Wir sind keine Terroristen. Wir sind nur Menschen, die ihre Heimat verteidigen. Wir stellen keine Bedrohung für die Türkei dar. Wir sind Kurden, die für ihre demokratischen Rechte in Syrien kämpfen. Die PKK kämpft in den Bergen der Türkei."

Tschechisches Gericht muss entscheiden

Auch die türkische Anschuldigung, er persönlich sei in einen Bombenanschlag auf einen Militärkonvoi in Ankara im Februar 2016 verwickelt gewesen, wies er zurück: "Die türkischen Behörden können natürlich alles behaupten, was sie wollen. Aber jeder kann sehen, wer ich wirklich bin. Ich war früher mehrmals in der Türkei und hatte Vertreter ihres Außenamts zu Gesprächen getroffen."

Muslim war laut der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu von der Türkei über Interpol mit einer sogenannten Red Notice zur Festnahme ausgeschrieben worden. Ein tschechisches Gericht müsse nun über einen Haftbefehl entscheiden. Die Türkei hatte Muslim vor zwei Wochen auf die Terroristenliste gesetzt.

Der stellvertretende Parteivorsitzende der deutschen Linken, Tobias Pflüger, verurteilte die Festnahme Muslims am Sonntag. "Offensichtlich hat das EU-Mitglied Tschechien Handlangerdienste für die Türkei geleistet", kritisierte er. Pflüger forderte die deutsche Bundesregierung auf, sich für die Freilassung des ehemaligen PYD-Chefs einzusetzen.

Kampf in Afrin geht weiter

Indessen hat Ankara zur Vorbereitung des Städtekampfs bei der Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG im nordsyrischen Afrin Spezialkräfte in die Region verlegt. "Im Moment wird der Kampf weit weg von den Städten in Dörfern, Ortschaften und auf dem Land fortgesetzt", sagte Bozdag am Montag dem Sender NTV.

Je weiter die Armee aber vorrücke, "desto mehr geht der Kampf in Gebiete über, in denen sich Zivilisten befinden". Die Spezialkräfte brächten Erfahrung im Kampf in Wohngebieten mit.

Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, bei den Spezialkräften handle sich um die Sondereinheiten der Polizei und der Gendarmerie. Sie seien seit Sonntagabend in den bereits eroberten Gebieten im Norden von Afrin stationiert. Die ersten Gefechte in dichter besiedelten Gebieten werden in der Kleinstadt Jindires im Südwesten der Stadt Afrin erwartet. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat angekündigt, die Stadt Afrin zu belagern.

Die Spezialeinheiten der Polizei und der Gendarmerie waren vom Herbst 2015 an auch bei den Operationen gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans PKK in südosttürkischen Städten eingesetzt. Damals war es über Monate hinweg zu schweren Gefechten in Wohngebieten gekommen. Die Türkei sieht in der YPG (wie auch in der oben erwähnten PYD) den syrischen Ableger der PKK. Die türkischen Streitkräfte hatten am 20. Jänner eine Offensive gegen die YPG in Afrin begonnen.

(APA/dpa/red.)

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