Italien: Fünf-Sterne-Bewegung siegt in Mafia-Hochburgen

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Mit ihrer Ansage gegen Korruption und Mafia-Strukturen erobern die Grillini vor allem den Süden Italiens. Auf Sizilien erringt eine unter Polizeischutz stehende Ex-Mafiosa einen Parlamentssitz.

Der Sieg der Fünf-Sterne-Bewegung bei den italienischen Parlamentswahlen ist vor allem im Süden klar. Kandidaten der populistischen Gruppierung setzten sich in mehreren Mafia-Hochburgen von Sizilien bis Neapel durch.

In den sizilianischen Städten und Dörfern, in denen einst die Mafia eigene Kandidaten unterstützte und Wahlergebnisse beeinflusste, feiert die Gruppierung um den Starkomiker Beppe Grillo einen fulminanten Erfolg. Von der Cosa-Nostra-Hochburg Corleone bis Brancaccio, dem berüchtigten Viertel von Palermo unter Kontrolle der "Paten": Stimmengewinne bringen eine ganze Truppe sizilianischer Grillo-Kandidaten ins Parlament in Rom.

Symbolträchtig ist der Fall der seit Jahren unter Polizeischutz stehenden Anti-Mafia-Kronzeugin Piera Aiello. Im Wahlkreis von Marsala, Heimat des meistgesuchten Cosa-Nostra-Bosses Matteo Messina Denaro, wurde sie zur Abgeordneten gewählt. Aiello blickt auf eine schmerzhafte persönliche Geschichte zurück. Als 18-Jährige heiratete sie den Sprössling einer prominenten Cosa-Nostra-Familie. Nach der Ermordung ihres Mannes und ihres Schwiegervaters im Rahmen einer Fehde entschloss sie sich zur Zusammenarbeit mit der Justiz. Dabei gab sie den Staatsanwälten Einblick in gutgehütete Geheimnisse der Clans. Seitdem lebt sie versteckt.

Apotheker gewinnt in Corleone

Aus Sicherheitsgründen konnte sich die Kandidatin Aiello im Wahlkampf vor TV-Kameras und Fotografen nicht zeigen. Obwohl fast niemand ihr Gesicht gesehen hat, eroberte die "unsichtbare Kandidatin" 51 Prozent der Stimmen in ihrem Wahlkreis, 20 Prozent mehr als ihre Rivalin von der Forza Italia, Tiziana Puglisi. Jetzt wird Aiello ihre Heimatregion im römischen Parlament vertreten.

"Vor 27 Jahren habe ich mit der Mafia Schluss gemacht. Jetzt sage ich Schluss mit diesem alten und überholten Parteiensystem, das die Entwicklung Siziliens blockiert. Wir haben Sizilien zurückerobert und es der Mafia entzogen", kommentierte Aiello nach der Wahl. "Auch viele ältere Menschen haben mich gewählt. Das bezeugt, dass unter den Wählern der Wille zum Wandel stark ist." Der Erfolg der Fünf-Sterne-Bewegung auf Sizilien sei nicht nur auf Protestwähler zurückzuführen. "Auf Sizilien hat die Fünf-Sterne-Bewegung Ehrlichkeit und Kompetenz bewiesen. Wir sind eine transparente politische Kraft . Mitglieder, die Fehler machen, werden sofort ausgeschlossen", berichtete die neu gewählte Abgeordnete.

Auch in der einstigen Cosa-Nostra-Hauptstadt Corleone, dem Reich blutrünstiger Mafiapaten wie dem im November verstorbenen Salvatore Riina oder Bernardo Provenzano, war die Fünf-Sterne-Bewegung erfolgreich. In dem Wahlkreis für die Abgeordnetenkammer behauptete sich der Apotheker Giuseppe Chiazzese mit 56 Prozent der Stimmen. Er besiegte den Ex-Landwirtschaftsminister und Forza-Italia-Kandidaten Francesco Saverio Romano, der mit 30 Prozent den Einzug ins Parlament verfehlte.

"Mafia hat bei dieser Wahl zugesehen"

"Bei dieser Wahl hat die Mafia keine Rolle gespielt und einfach zugesehen", sagte Dino Paternostro, der beim Gewerkschaftsverband CGIL in Palermo für Themen rund um Rechtsstaatlichkeit zuständig ist. Beeindruckend sei auf Sizilien die Niederlage der konservativen Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi, die in den letzten 25 Jahren auf Sizilien mit einem soliden Wählerreservoir rechnen konnte.

Auch außerhalb Siziliens sind die "Grillini", die Anhänger Grillos, im Vormarsch. Mit Appellen für die Befreiung von der Herrschaft der Mafia und für politische Transparenz verschaffte sich die Fünf-Sterne-Bewegung im resignierten Süden Gehör. Aber auch das Versprechen eines bedingungslosen Grundeinkommens kommt in den Regionen mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über 40 Prozent gut an.

Die Fünf-Sterne-Bewegung feierte einen überwältigenden Sieg auch in Neapel, der Hochburg des Fünf-Sterne-Premierkandidaten Luigi Di Maio. Die Grillini eroberten alle Wahlkreise in der Stadt und waren die stärkste Einzelpartei in allen Vierteln der Metropole. In schwierigen, von der Camorra kontrollierten Vorstadtbezirken wie Scampia und Secondigliano holte sich die Protestpartei sogar 65 Prozent der Stimmen.

(APA)

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