Als nahezu Unbekannter trat Putin die Amtsfolge von Boris Jelzin an – und schuf in zwei Dekaden sein neues Russland: mit Machtkonzentration, informellen Einflusskreisen und einer gelenkten Demokratie, die immer mehr auch jenseits der Landesgrenzen wirken will.
Moskau. Es gibt fast keinen erwachsenen Russen, dem die Abschiedsrede von Boris Jelzin am 31. Dezember 1999 auch nach mehr als 18 Jahren nicht noch in den Ohren liegt – auch wenn diese Silvesternacht mittlerweile wie aus einer anderen Zeit scheint. Für das Präsidentenamt wählte Jelzin einen nicht besonders bekannten, farblosen Politiker als Nachfolger: den bisherigen Ministerpräsidenten Wladimir Putin. Die Wahlen im März 2000 gewann er mit knapp 53 Prozent. Die „gesicherte Übergabe“ war also schon zu Beginn von Putins Karriere ein zentrales Motiv, das periodisch auftaucht – spätestens wieder 2024.
Der starke Präsident (2000–2004)
Putin, der sich als „bescheidener Beamter“ inszenierte, ging daran, die Macht im Staat zu konsolidieren. Das Ziel: eine „gelenkte Demokratie“. Einer der ersten Schritte war die Kontrolle der freien Medien, denen der Kreml die kritische Stimme entzog. Auch die Kontrolle über die Regionen intensivierte man – Gouverneure wurden nicht mehr gewählt, sondern ernannt. Mit der Kreml-Partei Einiges Russland entstand ein politisches Instrument, um die sogenannte Machtvertikale auf allen Ebenen durchzusetzen. In Putins erste Amtszeit fiel auch die Entmachtung unkooperativer Oligarchen wie Michail Chodorkowski und die Rückeroberung des Staates in zentralen Branchen der Wirtschaft, insbesondere Öl und Gas.