Diplomaten-Ausweisungen: Der Westen macht Ernst gegen Russland

Großbritannien wies bereits 23 russische Diplomaten aus, andere Länder ergriffen ähnliche Maßnahmen.
Großbritannien wies bereits 23 russische Diplomaten aus, andere Länder ergriffen ähnliche Maßnahmen.REUTERS
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Der Fall Skripal führt zu internationalen diplomatischen Verwerfungen. 16 EU-Länder, die USA, Kanada und die Ukraine weisen russische Diplomaten aus. Auch Ungarn ist darunter - im Gegensatz zu Österreich

Der Streit zwischen Russland und dem Westen eskaliert. Nach Ankündigungen und Beratungen haben sich mehrere Länder am Montag wegen des Giftanschlags auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal zu Maßnahmen gegen Russland durchgerungen. Vier russische Diplomaten mit nachrichtendienstlichem Hintergrund sollen laut "Süddeutscher Zeitung" aus Deutschland verwiesen werden. Aus den USA werden 60 russische "Agenten" laut US-Regierungsmitarbeitern ausgewiesen. Zudem werde das russische Konsulat in Seattle geschlossen, hieß es am Montag. Italien, Tschechien, Polen, Litauen, aber auch Dänemark und die Niederlande kündigten ähnliche Schritte an.

Laut EU-Ratspräsident Donald Tusk würden insgesamt 16 EU-Staaten russische Diplomaten ausweisen. Die Ukraine und Kanada kündigten ebenfalls Ausweisungen an. Präsident Petro Poroschenko rief die internationale Gemeinschaft auf, sich nicht nur auf "symbolische Gesten" zu beschränken, sondern auch weitere Sanktionen zu verhängen. Während einige EU-Staaten wie Slowenien, die Slowakei oder Portugal noch abwarten, hat Österreich eine Ausweisung russischer Diplomaten bereits ausgeschlossen. Ungarn will einen russischen Diplomaten ausweisen, zählt aber zum Lager der "Russlandversteher" innerhalb der Europäischen Union, dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban wird ein gutes Verhältnis zur Kreml-Chef Wladimir Putin nachgesagt.

Zusätzliche "Maßnahmen" und Ausweisungen in den kommenden Wochen seien nicht ausgeschlossen, sagte Tusk am Montag im bulgarischen Varna, wo ein EU-Türkei-Gipfel bevorsteht. Zugleich kondolierte der EU-Ratspräsident dem russischen Volk zu dem tödlichen Brand in einem Einkaufszentrum in Sibirien. "Unsere Gedanken und Herzen sind bei Euch", sagte Tusk auf Russisch.

Die beteiligten Länder in Europa

Deutschland: 4 Diplomaten
Frankreich: 4 Diplomaten
Polen: 4 Diplomaten
Tschechien: 3 Diplomaten
Litauen: 3 Diplomaten
Italien: 2 Diplomaten
Spanien: 2 Diplomaten
Niederlande: 2 Diplomaten
Dänemark: 2 Diplomaten
Estland: 1 Diplomat
Lettland: 1 Diplomat
Schweden: 1 Diplomat
Rumänien: 1 Diplomat
Finnland: 1 Diplomat
Kroatien: 1 Diplomat
Ungarn: 1 Diplomat

Norwegen (kein EU-Mitglied): 1 Diplomat
Island

Großbritannien hatte zuvor die Ausweisung von 23 russischen Diplomaten angeordnet.

Eine erste Reaktion Russlands auf die Ausweisungs-Welle betrifft die USA. Mindestens 60 US-Diplomaten müssten das Land verlassen, sagte Wladimir Dschabarow, Mitglied des Föderationsrates, am Montag laut staatlicher Nachrichtenagentur RIA. "Es versteht sich von selbst, dass der unfreundliche Schritt der Ländergruppe nicht folgenlos bleiben wird", hieß es in einer Stellungnahme des Außenministeriums am Montag.

Mit diesem Schritt werde "das Wenige zerstört, das von den russisch-amerikanischen Beziehungen übrig ist", sagte der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, am Montag nach Angaben der Nachrichtenagentur Ria Nowosti.

Für Österreich hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereits vergangene Woche eine Ausweisung russischer Diplomaten ausgeschlossen. In einer gemeinsamen Stellungnahme mit Außenministerin Karin Kneissl hieß es, man werde "keine Diplomaten ausweisen".

"Zeichen der Solidarität"

"Nach dem Giftanschlag von Salisbury trägt Russland noch immer nicht zur Aufklärung bei", erklärte der deutsche Außenminister Heiko Maas am Montag zu den angekündigten Ausweisungen. "Wir setzen damit auch ein Zeichen der Solidarität mit Großbritannien."

Auch der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz sprach von einem Zeichen der Solidarität Polens mit Großbritannien. Warschau halte die Maßnahme für die richtige Antwort auf die "aggressiven Handlungen" Russlands, sagte er. Mit der Ausweisung der Diplomaten schließe sich Polen der Reaktion der internationalen Gemeinschaft an, hieß es. Demnach müssen die Diplomaten das Land bis zum 3. April verlassen.

Auch der dänische Außenminister Anders Samuelsen begründete den Schritt am Montag in Kopenhagen mit Solidarität zu Großbritannien. Dänemark habe noch nie zuvor ausländische Diplomaten als Reaktion auf etwas ausgewiesen, was in einem dritten Land geschehen sei.

Der britische Außenminister Boris Johnson sprach bei Twitter von einer "außergewöhnlichen internationalen Antwort" der verbündeten Länder. Die britische Premierministerin Theresa May hatte ihren Kollegen beim EU-Gipfel vergangene Woche in Brüssel Ermittlungsergebnisse vorgelegt, noch bevor internationale Chemiewaffenexperten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) ihre Untersuchungen abgeschlossen haben.

Russland vermutet Brexit-Faktor

Großbritannien hatte zuvor 23 russische Diplomaten des Landes verwiesen, da die britische Regierung Russland als verantwortlich für den Anschlag auf Skripal und seine Tochter sieht. Beide liegen in kritischem Zustand im Krankenhaus. Russland hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen und reagierte mit der Ausweisung der gleichen Anzahl britischer Diplomaten.

Nach russischer Darstellung will Großbritannien mit dem Fall Skripal die Beziehungen der EU zu Russland untergraben. "Das Land, das die EU verlassen will, missbraucht den Faktor der Solidarität", schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Montag auf Facebook. Großbritannien zwinge die verbleibenden EU-Staaten dazu, mit Sanktionen die Zusammenarbeit mit Russland zu erschweren.

Großbritannien hat bisher keine Beweise für eine Verwicklung Russlands in den Anschlag veröffentlicht und davon gesprochen, dass Russland "höchstwahrscheinlich" hinter dem Anschlag stecke. Dem schlossen sich die EU-Staaten am Freitag an. Großbritannien hat bereits 23 russische Diplomaten des Landes verwiesen. Die Regierung in Moskau reagierte darauf mit der Ausweisung britischer Diplomaten.

Der Anschlag auf Skripal und seine Tochter wurde der britischen Darstellung zufolge mit einem Nervengift ausgeführt, das aus der Sowjetunion stammt. Unklar ist, wo das verwendete Gift hergestellt wurde. Zurzeit sollen Experten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen die Proben vom Tatort untersuchen.

(APA)

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