Wortgefechte zwischen Kosovo und der Türkei

Hashim Thaçi
Hashim ThaçiREUTERS
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Nach Auslieferung angeblicher Gülen-Anhänger an Ankara gerät die Kosovo-Führung unter Druck.

Belgrad/Prishtina. Freude über die lang geschätzte Nähe zum Schutzherrn in Ankara kommt bei den Regierungspolitikern des Kosovo kaum mehr auf. Die Freundschaft zur Türkei lasse sich keineswegs in ein „Vasallenverhältnis“ ummünzen, so die erzürnte Osterbotschaft von Vizepremier Fatmir Limaj an den türkischen Staatschef, Recep Tayyip Erdoğan. Niemand sollte der Führung des Kosovo drohen, so der Chef der mitregierenden Nisma-Partei. Nur das Volk des Kosovo habe das Mandat, seine Regierungen zu wählen und auszutauschen: „Niemand sollte der Regierung und dem Premier des Kosovo drohen. Kein Land, kein Führer– egal wie mächtig – kann uns beherrschen.“

Erdoğan lobt und grollt

Schon kurz nach der Unabhängigkeitserklärung am 17. Februar 2008 wurde der Kosovo von der Türkei anerkannt. Doch eine von Ankara inszenierte und gemeinsam mit Kosovos Geheimdienst organisierte Auslieferung hat das Verhältnis der Bruderstaaten getrübt: Seit der Verhaftung und Überstellung sechs vermeintlicher Gülen-Anhänger aus dem Kosovo an die Türkei fliegen zwischen Ankara und Prishtina die Fetzen.

Der türkische Präsident, Erdoğan, lobt – und grollt. Er sei dem Präsidenten des Kosovo, Hashim Thaçi, für die Verhaftung der „wichtigsten Vertreter“ der Gülen-Bewegung auf dem Balkan „dankbar“, so Erdoğan nach der Auslieferung von fünf Lehrern und einem Mediziner an die Türkei. Gleichzeitig ließ er am Wochenende seinen Ingrimm über Kosovo-Premier Ramush Haradinaj freien Lauf: Dieser hatte wegen der mit ihm nicht abgestimmten Deportationen zum Ärger Erdoğans sowohl Kosovos Innenminister als auch Geheimdienstchef gefeuert.

Haradinaj sei eine „Marionette, dessen Fäden von anderen gezogen“ werden, hat Erdoğan über dessen „historischen Fehler“ getobt: „Wir kannst du so gegen die Türkei arbeiten? Was für eine Politik ist das? Ich weiß, dass meine kosovarischen Brüder gegen diese Entscheidung sind. Du wirst dafür zur Rechenschaft gezogen: Die Karriere des Premiers wird zu Ende gehen.“

Tatsächlich scheinen die Amtstage von Haradinajs wackliger Vierparteienkoalition angesichts der zunehmenden Spannungen auf dem Politparkett des Kosovo gezählt: Seit dem Abschied der Partei der serbischen Minderheit aus der Regierung verfügt sein Kabinett über keine Parlamentsmehrheit mehr. Allerdings sind es weniger Erdoğans Schimpftiraden als die als „Kidnapping“ kritisierten Abschiebungen, die Rufe nach Neuwahlen lauter werden lassen.

Dass nach Premier Haradinaj nun auch Präsident Thaçi beteuert, vorab nicht unterrichtet gewesen zu sein, lässt nicht nur die Opposition die Frage stellen, wer im Kosovo eigentlich regiere. Vor der für heute, Dienstag, anberaumten Sondersitzung macht sich in Prishtina politische Endzeitstimmung breit: Die Parteien scheinen sich bereits für Neuwahlen zu rüsten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2018)

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