Die große Peking-Inszenierung

Bundespräsident Alexander Van der Bellen führt in China die mehr als 200-köpfige österreichische Delegation an, zu der heute auch Kanzler Sebastian Kurz stößt.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen führt in China die mehr als 200-köpfige österreichische Delegation an, zu der heute auch Kanzler Sebastian Kurz stößt.(c) APA/BUNDESHEER/PETER LECHNER (BUNDESHEER/PETER LECHNER)
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Angeführt von Präsident Alexander Van der Bellen und mehreren Ministern reisen rund 170 heimische Wirtschaftsvertreter durch China – und werden auch seitens der Gastgeber gehörig in Szene gesetzt.

Samstagmorgen, in Peking ist es 9.20 Uhr. Die österreichische „Delegation der Superlative“ ist soeben in China eingetroffen. Es ist der größte Staatsbesuch, den Österreich je zu bieten hatte. So lautet jedenfalls die Message, die die Regierung seit Wochen trommelt: Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist gekommen, und mit ihm die Minister Elisabeth Köstinger, Margarete Schramböck, Karin Kneissl und Norbert Hofer. Im Tross sind auch rund 170 österreichische Wirtschaftstreibende, rund 30 Vertreter von Kultur und Wissenschaft – und natürlich auch eine ganze Reihe Journalisten. Inszeniert ist halt inszeniert. Und China macht brav mit.

Vom Flughafen wird der Konvoi aus etlichen Limousinen und zahlreichen Bussen in die Stadt geleitet. Nur 20 Minuten dauert die Fahrt: Die Autobahn ist für den restlichen Verkehr nämlich gesperrt. Über mehrere Kilometer hängen an sämtlichen Laternenmasten österreichische Flaggen. An den Straßenrändern stehen fotografierende Menschen.

Dass der Staatsbesuch für die österreichische Wirtschaft von immenser Bedeutung ist, ist klar. Aber auch für die chinesische? Wie auch immer: An die 30 Verträge im Wert von 1,5 Milliarden Euro wollen österreichische Wirtschaftstreibende am heutigen Sonntag in China unterschreiben. Welcher Art diese Verträge genau sind, bleibt aber bis zum Schluss ein Geheimnis – weil eben noch nicht alles fix sei, wie ein Ministeriumssprecher hinter vorgehaltener Hand sagt.

Abermals reine Inszenierung? Sind die zu unterzeichnenden Verträge nicht eh schon längst ausgemachte Sache? Braucht es tatsächlich die Politik, um Aufträge im Ausland an Land zu ziehen? Durchaus – sagt einer, der es wissen sollte: Für Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl ist es der dritte Besuch Chinas mit einem österreichischen Bundespräsidenten. Leitl war schon mit Thomas Klestil in der Volksrepublik, mit Heinz Fischer ebenso – und jetzt eben mit Alexander Van der Bellen. Und er sagt der „Presse am Sonntag“: „Von Zeit zu Zeit ist es für die Wirtschaft wichtig und notwendig, mit politischer Begleitung zu reisen. Weil das in vielen Ländern einfach als Zeichen der Wertschätzung gesehen wird.“ Und das ist dann letztlich gut fürs Geschäft.


Politische Begleitung. Die Wirtschaft nimmt solch „politische Begleitung“ wie diese Woche in China offensichtlich dankbar an. Etliche Unternehmensvertreter sind mitgekommen. Das kann auch daran liegen, dass es für sie in den vergangenen Jahren nicht allzu viel „Begleitung“ gegeben hat: SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann hatte schlicht und einfach kein Interesse an Auslandsreisen mit Wirtschaftsvertretern. Manche Konzernbosse berichten sogar, dass er nicht einmal ausländische Delegationen in Wien empfangen hat. Er hatte wohl andere Prioritäten.

Jetzt reisen gleich vier Minister mit dem Bundespräsidenten nach China, Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) stößt heute dazu. Also alles wieder im grünen Bereich? Christoph Leitl ist da nicht so euphorisch. Für ihn ist es die letzte große Reise als Wirtschaftskammerpräsident – er dankt ja am 18. Mai ab. Vielleicht nimmt er sich deshalb kein Blatt vor den Mund. Also spricht Leitl: „Ich empfehle der neuen Regierung, eine gewisse Systematik in der Besuchsdiplomatie einzuführen.“ Darunter versteht er: „Prioritäten setzen“.

Inszenierung hin oder her: China allein könne es jedenfalls nicht sein. „China ist so etwas wie eine Mode-Destination geworden“, sagt Leitl. Nachsatz: „Aber man sollte nicht nur dort sein, wo sich alle Länder die Klinke in die Hand geben.“ Der österreichische Botschafter in Peking, Friedrich Stift, erzählt der „Presse am Sonntag“, dass es unlängst in nur einer Woche drei verschiedene Staatsbesuche in Peking gegeben hat. Die Konkurrenz schläft also keinesfalls.


Tigerstaaten am Sprung.
Der Wirtschaftskammerpräsident sieht jedenfalls Länder wie Thailand oder Vietnam als besonders zukunftsträchtig für heimische Unternehmen: „Das sind Tigerstaaten, die am Sprung sind, dort wird es in den nächsten Jahren eine außerordentliche Entwicklung geben“, sagt er. Auch Indien steht auf seiner Liste ganz oben, ebenso Australien und Neuseeland. „Man sollte sich einfach verstärkt jener Länder annehmen, die außerhalb des internationalen Fokus sind“, findet Leitl.

Doch jetzt ist es eben China. Und Christoph Leitl gerät vor den anwesenden Journalisten auch programmgemäß ins Schwärmen: Vom „spannenden Markt“ spricht er und von den guten Beziehungen Österreichs zu China. „So viele Minister beim Staatsbesuch – das ist doch ein wichtiges und positives Signal“, formuliert Leitl.

Devote und anerkennende Wortspenden von österreichischer Seite werden dieser Tage oft gehört: Alexander Van der Bellen spricht von „faszinierenden Wachstumsraten“, die Chinas Wirtschaft zu bieten habe. Betont wird die Bedeutung Österreichs als Urlaubsland für Chinesen – rund 900.000 Ankünfte chinesischer Touristen gab es im vergangenen Jahr. Gerne wird auch darauf verwiesen, dass österreichische Unternehmen einiges an Know-how für Chinas Umwelt- und Energiepolitik zu bieten hätten. Und Chinas Liebe zu klassischer Musik wird auch strapaziert: Heute, Sonntag, wird die siebenjährige Anna Cäcilia Pföß, die mit der Delegation nach Peking gereist ist, auf der Mozartgeige einige Stücke spielen. Dies bei einem Staatsbankett von Präsident Xi Jinping. Ihm wird bei der Gelegenheit ein Teeservice der Firma Augarten als Präsent überreicht werden. Außerdem, aus Anlass der Olympischen Winterspiele, die 2022 in Peking stattfinden werden, eine Schijacke der Firma Sportalm. Seine Frau erhält eine Musikedition der Wiener Philharmoniker – und eine Rose des Kristallkonzerns Swarovski.

Menschenrechtsthemen sollen unter vier Augen besprochen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2018)

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