Frankreich: Neue Wehrpflicht ohne Waffen

Militär light: Sowohl junge Männer als auch junge Frauen sollen Präsident Emmanuel Macron zufolge für mehrere Wochen verpflichtend eine Ausbildung erhalten.
Militär light: Sowohl junge Männer als auch junge Frauen sollen Präsident Emmanuel Macron zufolge für mehrere Wochen verpflichtend eine Ausbildung erhalten.(c) ANNE-CHRISTINE POUJOULAT / AFP
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Präsident Macron will die Dienstpflicht wieder einführen, jedoch nicht die klassische Variante. Seine Ideen sind kostspielig. Den Nutzen streitet in Paris aber kaum jemand ab.

Paris. Es war eines der großen Wahlversprechen des damaligen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron: Die Wiedereinführung einer Art Wehrpflicht für alle Jugendlichen. Der Vorschlag hatte vielleicht gerade darum so viel Zustimmung gefunden, weil niemand – womöglich auch nicht der jetzige Präsident selbst – wusste, wie diese allgemeine Dienstpflicht für die Jungen beider Geschlechter konkret aussehen und vor allem organisiert werden soll.

Nun soll Macron entscheiden, wie er das umsetzen will. Seit der Abschaffung der Dienstpflicht durch Präsident Jacques Chirac 1997 wünschten nur wenige in Frankreich deren Wiedereinführung im traditionellen Rahmen. Hingegen bedauerten viele, dass dem Staat nun ein wichtigstes soziales und pädagogisches Instrument fehle: Als Rekruten kamen die jungen Männer in Kontakt mit anderen Regionen und Gesellschaftsschichten, zudem konnte die Hierarchie die Rekruten in Sachen Disziplin sensibilisieren. Seither können die Angebote von freiwilligen sozialen Zivildiensteinsätzen diesen Mangel nur teilweise ersetzen.

Sport und Erste Hilfe

Macron wollte ein Obligatorium. Das heißt, dass pro Jahr zwischen 600.000 und 800.000 junge Menschen beider Geschlechter mobilisiert werden sollten. Er wollte diese Aufgabe den Militärs übertragen. Deshalb war von einer relativ kurzen „militärischen“ Dienstpflicht von einigen Wochen oder maximal drei Monaten die Rede. Niemand dachte ernsthaft an eine Rekrutenschule in der Kaserne mit Drill und Waffenausbildung.
Ein Bericht des Generals Daniel Ménagouine schlägt dem Staatschef nun ebenfalls eher eine Form von Zivildienst mit Sport, Kursen in Erster Hilfe und Reaktionen in Krisen oder Katastrophenlagen sowie einen Nachhilfeunterricht in Staatsbürgerkunde zu den Grundwerten der Republik vor.

Die Dienstpflicht soll für beide Geschlechter ab 16 Jahren gelten. Als Dauer schlägt der General einen Monat vor, er möchte aber, dass die Jungen im Anschluss daran Interesse an einem effektiven Militärdienst oder anderen Formen des Engagements im Dienst der Nation und der Gesellschaft zeigen. Schon eine minimale Umsetzung dieser Pläne würde schätzungsweise drei Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Wo wären zudem mehrere Zehntausend Fachkräfte für die Ausbildung und Organisation zu finden? Bei den Streitkräften, die ohnehin schon über ungenügende Kredite klagen, wächst die Befürchtung, dass für diesen Macron-Zivildienst Geld und Leute abgezogen würden. Der Präsident müsste ihnen also zusichern können, dass die neue Dienstpflicht ihre finanziellen und personellen Mittel keinesfalls schmälern würde.

Mehr ideologische Widerstände weckt allein schon die Vorstellung eines Obligatoriums. Die Idee sieht außerdem vor, dass sich junge Franzosen aus allen Teilen des Landes durch einen Aufenthalt in einer Art „Internat“ kennenlernen und vermischen. Für manche wäre das ein erstes Leben fern der moralischen oder gar religiös motivierten Kontrolle durch das Elternhaus und unter dem exklusiven erzieherischen Einfluss der weltlichen Republik. Diese soll so Phänomenen wie der islamistischen Radikalisierung, Drogenabhängigkeit oder Jugendkriminalität entgegenwirken und generell Jugendliche, die während der Schulzeit nicht integriert und sozialisiert werden konnten, abfangen.

Rüffel von Macron

Obwohl auch in der Regierung kaum Zweifel am Nutzen einer solchen Dienstpflicht bestehen, werden Fragen zur Realisierung laut. Verteidigungsministerin Florence Parly hatte angedeutet, dass die Dienstpflicht vielleicht doch nicht wirklich für alle obligatorisch sein könnte. Sie wurde deswegen aber sofort von Präsident Macron desavouiert, der es nicht schätzt, dass man seine Pläne korrigiert, bevor sie offiziell vorliegen.

Auf einen Blick

Wehrpflicht. Frankreich hat die Pflicht unter Jacques Chirac 1997 abgeschafft. Präsident Emmanuel Macron forderte im Wahlkampf die Wiedereinführung. Nun will er junge Frauen und Männer zu einer „Ausbildung light“ verpflichten.

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