Trumps Iran-Politik: Eskaliert die Lage im Nahen Osten?

Im iranischen Parlament zündeten Abgeordnete als Reaktion auf Trumps Entscheidung eine US-Flagge an.
Im iranischen Parlament zündeten Abgeordnete als Reaktion auf Trumps Entscheidung eine US-Flagge an.APA/AFP/Islamic Consultative Ass
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Der US-Rückzug hat massive Auswirkungen auf die Sicherheitslage im Nahen Osten. Schon jetzt fliegen israelische Bomben auf iranische Stellungen in Syrien. Es geht nicht nur um Atomwaffen, es geht um eine Vormachtstellung.

Donald Trump hat sich entschieden. Wenig überraschend eines seiner größten Wahlversprechen eingelöst: Die USA ziehen sich aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurück. Der Iran soll keine "Atomwaffen oder Interkontinentalraketen" besitzen dürfen. Irans aggressives Vorgehen im Nahen Osten soll "neutralisiert" werden. Die Reaktionen sind großteils entsetzt. Nur Israel und Saudiarabien applaudieren Trump.

Der oberste politische und religiöse Führer Irans hat Trumps Entscheidung als dumm bezeichnet. "Mr. Trump, ich sage Ihnen im Namen des iranischen Volkes: Sie haben einen Fehler gemacht", hieß es auf der offiziellen Website von Ayatollah Ali Khamenei am Mittwoch. Trump habe in seiner Rede einige dumme und oberflächliche Aussagen gemacht und vermutlich mehr als zehn Lügen erzählt. "Er hat das Regime und das Volk bedroht und gesagt, sie (die Iraner) machen dies und das."

Dass trotz der Bemühungen der anderen Vertragspartner vor allem in Europa nun alles so bleibt, wie es war, ist unwahrscheinlich. Mit seiner Nahost-Politik, ganz im Sinne des regionalen Verbündeten Israel, macht der US-Präsident nun massiv Druck.

Der Iran soll zur Räson gezwungen werden - weit über das Maß hinaus, wie es 2015 sechs Länder mit dem Iran nach 13 Jahren zäher Verhandlungen vereinbart hatten. Diese Art von Nahost-Politik hat eine Menge Kritiker - zumal ein konkreter Plan, wie das gehen soll, von Trumps Regierung bisher nicht bekannt ist. Die US-Diplomatie hat schon bessere Zeiten erlebt als unter Trump, der das zunächst von dem moderaten Rex Tillerson geführte Außenministerium links liegen ließ.

Gefahr eines Krieges

"Trumps Ziel sollte sein, unbedingt einen Krieg im Nahen Osten zu vermeiden", warnte am Dienstag selbst sein erzkonservativer Haussender Fox News.  Der einflussreiche russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow sieht durch den US-Ausstieg aus dem Atomabkommen eine aber wachsende Kriegsgefahr zwischen dem Iran und Israel. Bislang habe das Abkommen mäßigend auf diesen Konflikt gewirkt, erklärte der Vorsitzende im Außenausschuss des Föderationsrates am Dienstag in Moskau.

"Jetzt drängt Washington beide Seiten praktisch zu einem kriegerischen Konflikt - und den Iran zur Fortsetzung seiner Arbeit an Atomwaffen", schrieb Kossatschow auf Facebook. Der Schritt von US-Präsident Donald Trump sei unverantwortlich und destruktiv.

Wer hat die Macht?

Es geht letztlich um die Hegemonialstellung in der Region. Teherans Erzfeind Saudi-Arabien und Israel käme eine Schwächung des Irans höchst willkommen - beide sind enge Verbündete Washingtons. Schon jetzt fallen Berichten zufolge israelische Bomben auf iranische Stellungen in Syrien, iranische Drohnen gelangen in Israels Luftraum und Saudi-Arabien und der Iran stehen sich im Jemen gegenüber. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat die Trumps Entscheidung dementsprechend als "mutig und richtig" gelobt. Netanyahu forderte die Weltgemeinschaft dazu, ebenfalls aus dem Atomabkommen auszusteigen, neue Sanktionen gegen den Iran zu verhängen und "die iranische Aggression in unserer Region zu stoppen, vor allem in Syrien".

Der israelische Premier Benjamin Netanyahu wirft dem Iran vor, über sein Engagement in Syrien das Mittelmeer anzustreben und von dort aus eine militärische Seeherrschaft aufbauen zu wollen, die auch die Existenz Israels gefährde. All dies werde vom Atomdeal, der zudem in seiner Laufzeit viel zu kurz angelegt sei, nicht erfasst. Deshalb sei das Iran-Abkommen "der schlechteste Deal, der jemals gemacht wurde".

Das Verhalten des Irans in der Region steht für viele Nahost-Experten inzwischen mehr im Fokus als die eigentliche Frage, ob Teheran an einer Atomwaffe arbeitet. Denn: Der Atomdeal hat bisher funktioniert. Die Beobachter der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA mit Sitz in Wien bescheinigen Teheran in regelmäßigen Abständen, alle Bestimmungen zu erfüllen. Noch nie seit 2015 hat es irgendein signifikantes Problem gegeben.

Der US-Regierung geht es deshalb auch weniger um die technische Einhaltung der Regelungen. "Im Herzen des Deals stand die gigantische Illusion, dass ein mörderisches Regime nur ein friedliches Nuklearprogramm anstrebt", sagte Trump am Dienstag. Der republikanische Vorsitzende des Außenausschusses im Repräsentantenhaus, Ed Royce, hatte zuvor erklärt: "Der Deal versperrt dem Iran nicht den Weg zu einer Atomwaffe", sagt er. "Er erlaubt nicht, dass Inspektoren 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche vor Ort sind. Er verhindert nicht, dass das Regime ballistische Mittelstreckenraketen hat. Und er gibt Teheran die finanziellen Mittel, um noch mehr Terroristen weltweit zu unterstützen."

Irak kritisiert "voreiligen" Rückzug

Der Rückzug der USA gefährdet nach Ansicht des Irak die Stabilität in der Region. Das Außenministerium in Bagdad sei "enttäuscht über die voreilige und unbedachte Entscheidung" von US-Präsident Donald Trump, sagte Ministeriumssprecher Ahmed Mahjub am Mittwoch in Bagdad. Er warnte vor "gefährlichen Entwicklungen" in der Region, die zu "Zerstörung und Krieg" führen könnten.

Katar reagierte zurückhaltend auf Trumps Entscheidung. Alle Seiten müssten nun mit "Zurückhaltung und Besonnenheit" agieren und Konflikte durch einen Dialog lösen, erklärte das Außenministerium in Doha. Oberstes Ziel müsse es sein, ein atomares Wettrüsten in der Region zu verhindern. Kuwait erklärte, der Rückzug der USA aus dem Atomabkommen sei zu respektieren. Ziel müsse ein Naher Osten ohne Atomwaffen sein.

Experte erwartet US-Präventivschlag

Josef Braml, USA-Experten der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme am Mittwoch gar, dass die USA Präventivschläge gegen den Iran durchführen könnten.

"Sollten Trump und seine Sicherheitsberater zu der Einschätzung kommen, das der Iran Atombomben baut, werden sie schnell reagieren", erklärte Braml. Trumps neuer Sicherheitsberater John Bolton habe schon vor drei Jahren gefordert, den Iran zu bombardieren, um die iranische Atombombe zu verhindern. Auch Trumps neuer Außenminister Mike Pompeo sei in der Iran-Frage ein Hardliner.

"Die außenpolitischen Konsequenzen schrecken Trump und sein Kriegskabinett nicht vor einem Waffengang gegen den Iran ab", so der Experte weiter. Im Gegenteil: Sie könnten sogar beabsichtigt sein, denn Luftangriffe der USA würden die Instabilität in einer von den USA weit entfernten Region fördern. "Ein Krieg würde es dem globalen Rivalen China erschweren, sich mit dringend benötigten Rohstoffen aus dieser Region zu versorgen", erläuterte Braml.

Destabilisierung Europas

Für Braml passt das Szenario "sehr gut" zur Geopolitik der Trump-Regierung und stelle im Rahmen eines geplanten Handelskrieges die "erste Schlacht im globalen Wettbewerb gegen Rivalen wie China und Europa" dar. "Vor allem auch europäische Staaten wären zunächst von den Sanktionen und insbesondere von den Folgen einer destabilisierten Nachbarschaft betroffen - auch durch weitere Flüchtlingsströme", fuhr er fort.

Trump habe zudem einen weiteren, innenpolitischen Grund für ein solches Vorgehen: die Kongresswahlen im November. "Im Fall eines Krieges kann Trump mit dem "rally 'round the flag"-Effekt rechnen - also damit, dass sich seine Landsleute im Krisenfall auch bei Wahlen patriotisch hinter ihren Präsidenten und Oberbefehlshaber stellen", so Braml.

(APA/dpa/Michael Donhauser/AFP)

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