„Nur ein fragiler Friede am Balkan“

Bulgariens Premier Borissow.
Bulgariens Premier Borissow.(c) imago/Jörg Schüler (Jörg Schüler)
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Bulgariens Premier Borissow drängt zur raschen EU-Aufnahme seiner Nachbarländer und warnt vor der Einflussnahme von Türkei, Russland und China.

Sofia. Angesichts der Tatsache, dass es beim Gipfeltreffen in Sofia keine konkreten Zusagen in Richtung der EU-Anrainerstaaten am Westbalkan gegeben hatte, müssten die bulgarischen Gastgeber eigentlich enttäuscht sein – schließlich waren Fortschritte beim Erweiterungsprozess eines der Kernziele des bulgarischen EU-Vorsitzes, der Ende Juni zu Ende geht. Ministerpräsident Bojko Borissow versuchte dennoch am gestrigen Freitag Zuversicht zu verbreiten. Er hält das von der EU-Kommission ins Spiel gebrachte Zieldatum 2025 für einen eventuellen Beitritt der momentan am weitesten fortgeschrittenen Kandidatenländer für machbar. Ein Datum, das die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel direkt und unmissverständlich abgelehnt hatte.

„Ich wünsche mir mehr Optimismus“, sagte Borissow gestern im Gespräch mit einer kleinen Journalistenrunde. Bei anhaltenden Fortschritten in den Beitrittsverhandlungen „können im Jahr 2025 noch viele gute Dinge passieren“. Bulgarien will also den Kampf um den Beitritt Serbiens, Montenegros, Mazedoniens, Albaniens, Bosnien und Herzegowinas und des Kosovo nicht so leicht aufgeben, auch wenn die zwei EU-Schwergewichte Deutschland und Frankreich auf der Bremse stehen.

Annäherung erreicht

Borissow interpretierte schon allein das bloße Zustandekommen des Westbalkangipfels als Erfolg. Es sei begrüßenswert, dass es in Sofia „direkte und offene Gespräche“ (so werden im Jargon der Diplomaten inhaltliche Dispute umschrieben) gegeben habe. Die zerstrittenen Staatschefs Serbiens und des Kosovo, Aleksandar Vučić und Hashim Thaçi, hätten sich die Hände gereicht, auch zwischen dem niederländischen Premier, Mark Rutte, und seinem albanischen Kollegen, Edi Rama, habe es einen guten Draht gegeben – „und Edi Rama ist eine emotionale Person“, wie es Borissow formulierte. Auf der Gefühlsebene scheint das Treffen in Sofia demnach ein voller Erfolg gewesen zu sein. Und dass niemand den Platz Westbalkans in Europa anzweifele, sei ebenfalls ein gutes Zeichen, so der Regierungschef.

Der bulgarische Premier wies gestern wiederholt darauf hin, dass der Westbalkan weniger Einwohner habe als Rumänien und über eine mit der Slowakei vergleichbare Wirtschaftsleistung verfüge – und damit klein genug sei, um von der Europäischen Union aufgenommen zu werden, ohne größere Verdauungsprobleme zu verursachen. Und Borissow winkte auch mit dem geostrategischen Zaunpfahl: Wenn die Europäer weiter zögern, würden sich andere Player wie die Türkei, Saudi-Arabien, Russland und China engagieren, um Einfluss in der Region zu gewinnen. „Der Friede, den wir momentan am Westbalkan haben, ist sehr fragil.“ (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2018)

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