Bis Montag haben die radikalen Grillini und die ausländerfeindliche Lega Zeit, Staatspräsident Mattarella Programm und Premier vorzustellen. Doch das Staatsoberhaupt hat bereits eine deutliche rote Linie gezogen.
Rom/Wien. In diesen turbulenten Zeiten italienischer Regierungssuche hört und sieht man wenig von ihm. Und doch liegt das Schicksal des Landes auch in seinen Händen: Bevor die Anti-Establishment-Parteien Lega und Grillini ihr Regierungsabenteuer beginnen, brauchen sie den Segen des Staatspräsidenten, Sergio Mattarella. Der 76-Jährige muss sowohl für das neue Programm als auch den Premier grünes Licht geben.
Der Herr des Quirinal-Palastes steht allein durch sein Auftreten im starken Kontrast zum polternden Politstil der radikalen Fünf-Sterne-Bewegung oder der ausländerfeindlichen Lega. Der Ex-Verfassungsrichter aus Sizilien, dessen Bruder von der Mafia ermordet wurde, ist ein Mann der leisen Worte. Jetzt, wo Italien wieder unter scharfer Beobachtung internationaler Märkte und Brüssel steht, hat er Wortkargheit zu seiner Krisenstrategie gemacht.
Dabei markiert der Staatschef deutlich die roten Linien. So hat Mattarella zu Wochenbeginn, als die Chancen für eine baldige Geburt der Grillini-Lega-Koalition besonders gut lagen, eine seiner zuletzt eher seltenen Reden gehalten. Er sehe sich als Schiedsrichter, nicht als „Notar“ der Regierung, machte er klar. Er erinnerte an den liberalen, proeuropäischen Staatspräsidenten Luigi Einaudi, der 1948 bis 1955 im Amt war: Dieser habe zwei Gesetze blockiert, weil diese eine – nicht finanzierbare – Erhöhung der Ausgaben vorsahen – und deshalb gegen die Verfassung verstießen. Die Botschaft an die Regierungspartner in spe war unmissverständlich: Er werde sich ihre kostspieligen Pläne – Grundeinkommen, Flat Tax, Rücknahme der Pensionsreform – genau anschauen. Denn das hoch verschuldete Italien hat dafür kein Geld. Die Umsetzung dieser Vorhaben wäre deshalb de facto eine Abkehr vom EU-Maastrichtpakt.
Mattarella hat Grillini und Lega deutlich gesagt: Er werde penibelst darauf achten, dass sich das Regierungsprogramm innerhalb des Verfassungsrahmens bewege und internationale Verträge respektiere, die Italien unterzeichnet habe. Das gelte sowohl für europäische als auch transatlantische Abkommen (Italien ist Nato-Mitglied). Die beiden Parteien haben unter anderem eine Annäherung an Moskau angekündigt und sich öfters für ein Ende der EU-Sanktionen ausgesprochen. Die Lega will zudem „freie Hand“ in der Migrationsfrage und hat mehrmals gepoltert, dass sie auf EU-Vereinbarungen (etwa Dublin-Vertrag) pfeife.
Ein respektabler Premier
Für Mattarella geht aber internationale Glaubwürdigkeit Hand in Hand mit der Stabilität seines fragilen Landes. Grillini und Lega müssen deshalb bis Montag einen Premier aus dem Hut zaubern, der Mattarellas strenger Prüfung standhält. Der Präsident lehnte offenbar bereits Kandidaten ab.
Zugleich machte Mattarella deutlich, dass er einer Regierung, die die Wählermehrheit repräsentiert, den Vorrang gibt. Auch, um sich nicht dem Vorwurf der Parteilichkeit auszusetzen, gewährte er Lega und Grillini immer wieder Aufschub für ihre Verhandlungen. Wobei sich das Gerücht hartnäckig hält, dass die Mannschaft einer Expertenregierung schon steht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2018)