"Österreich soll im Russland-Konflikt aktiv werden"

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Der deutsche Politologe Peter Schulze sieht in den Spannungen mit Russland eine bedeutende Rolle des Landes als Dialog- und Diskussionsplattform.

Für den Politologen Peter Schulze hat Österreich im angespannten Verhältnis des Westens mit Russland an Gewicht gewonnen. "Österreich ist unbeschadet aus dem Ost-West-Konflikt herausgegangen", sagt er. Die Rolle des Landes als "Dialog- und Diskussionsplattform" sei wegen der Verschlechterung der Beziehungen zwischen Berlin und Moskau noch wichtiger geworden.

Von Deutschland aus gebe es selbst von den Sozialdemokraten, die traditionell ein positives Verhältnis zu Moskau gesucht hätten, "keine positiven Impulse in Bezug auf Russland oder die Ukraine". Schulze hofft darum, dass "die Initiativfunktion", die zuvor durch den Dialog zwischen Moskau und Berlin oder Paris existiert habe, auf "Länder wie Österreich übergeht".

Der deutsche Politikwissenschafter wünscht sich von Österreich einen Initiative, um "kreativ und flexibel über die Sanktionen (gegen Russland, Anm.) nachzudenken". Dabei könne es sich mit Staaten aus der Visegrad-Gruppe zusammentun. Seitens des "proatlantischen Blocks" in der EU, der sich aus Rumänien, Polen, den baltischen Staaten, Schweden, Dänemark und "im Hintergrund" Großbritannien zusammensetze und die "amerikanische Sanktionspolitik, implementiert durch die EU" unterstütze, könnte Österreich dadurch aber als "potenzieller Störenfried" wahrgenommen werden.

Wirkungslose Sanktionen

"Wenn ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union gegen die Fortsetzung der Sanktionen stimmen würde, würde es sie überhaupt nicht mehr geben", so Schulze. Der Einfluss Deutschlands sei in der EU jedoch so hoch, dass es dazu nicht kommen werde. "Es gibt keine Stimme in der EU, die sich gegen den Willen Berlins wehren würde, weil die Sanktionswirklichkeiten, ausgeübt über Zuwendungen aus den europäischen Töpfen, gegenüber abweichenden Staaten zu groß wären", erklärte der Politologe.

Die Sanktionen selbst sind für Schulze wirkungslos: "Sie haben Russland nicht zum Einlenken in Bezug auf die Ukraine gebracht - schon seit vier Jahren", sagte er. Auch eine "Auflockerung im Hinblick auf demokratische und pluralistische Beziehungen und Verhältnisse" habe nicht stattgefunden. "Genau das Gegenteil ist passiert: Die demokratische Opposition ist als Agent des Westens marginalisiert und stigmatisiert worden", erklärt er.

Russlands Interesse an einer Deeskalation mit dem Westen sind laut dem Politologen schwer einzuschätzen. "Russland will nicht mehr als Bittsteller dastehen, nicht mehr enttäuscht werden, wenn sie eine Initiative vorbringen." Stattdessen habe Russland in China einen neuen Partner gefunden. Dies hat für Schulze zwei Gründe: Neben der Intensivierung des Handels, denn China sei nun der "erste Handelspartner Russlands" geworden, könne sich Russland "nicht alleine gegen die USA und Westeuropa" durchsetzen. "Das ist eine logische, rationale außenpolitische Option, die Russland Schutz gewährt gegenüber möglichen weiteren Übergriffen oder Erweiterungsoptionen, wie sie von der NATO oder auch der EU aufkommen sollte", erläutert er.

Gemeinsam gegen die USA

Durch die jüngste Entfremdung der EU von den USA sieht Schulze Chancen auf eine Besserung der Beziehungen. "Es gibt Gemeinsamkeiten in der Iran- und Syrienpolitik zwischen der EU und Russland", führte er aus. Anhand dieser könne man wieder "eine Art sicherheitspolitischen Vertrauenskonsens herstellen". Eine Verständigung der EU mit Russland wolle die USA, die ebenfalls auf Verbündete angewiesen sei, jedoch "auf keinen Fall". Stattdessen wünsche sich Washington eine "Militarisierung der EU". "Die Russen hätten auf einmal nicht nur Angst vor den USA, sondern auch vor der EU", erkläre er. "Die EU würde unter Druck Russlands kommen und müsste sich noch fester an die USA anschließen."

"Für die USA ist die Ukraine der Schraubenzieher, mit der man die Repressions- und Loyalitätsschraube innerhalb der EU anziehen kann, damit sie nicht von der Fahne brechen", so der Politologe. "Gibt es den Krim-Krieg und den Ukraine-Konflikt nicht mehr, kann sich das Verhältnis zu Russland wieder verändern - dann gibt es keine Kriegsgefahr mehr, es wird alles runtergekocht und das ist nicht im amerikanischen Interesse", sagte er. "Die USA sind kein hegemonialer Polizist mehr, sie brauchen Verbündete und Verbündete müssen loyal sein und die Belastungen mittragen."

(APA)

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