IWF-Mann Cottarelli soll Italien aus Sackgasse führen

Carlo Cottarelli soll italienischer Premierminister werden - zumindeest bis zu Neuwahlen.
Carlo Cottarelli soll italienischer Premierminister werden - zumindeest bis zu Neuwahlen.APA/AFP/IMF/STEPHEN JAFFE
  • Drucken

"Mister Spending Review" soll es richten: Präsident Mattarella hofft auf den lombardischen Ökonomen Carlo Cottarelli als Chef einer Übergangsregierung.

Die Italiener kennen ihn mit dem Spitznamen "Mister Spending Review": Der angesehene Wirtschaftsexperte Carlo Cottarelli ist die letzte Hoffnung von Italiens Präsident Sergio Mattarella, endlich einen Ausweg aus der politischen Sackgasse zu finden, in der sich das Land seit den Parlamentswahlen am 4. März befindet.

Insidern zufolge will Mattarella den 64-Jährigen mit der Bildung einer Expertenregierung beauftragen, die Italien bis zu Neuwahlen führen soll. Nach den gescheiterten Versuchen, eine politische Regierung auf die Beine zu bringen, soll jetzt der frühere Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IWF) und 2013 Sparkommissar der Regierung unter Enrico Letta das Ruder einer Übergangsregierung mit begrenzten Aufgaben übernehmen, unter anderem die Verabschiedung des Etats 2019 und eines neuen Wahlgesetzes.

Vor Herausforderungen scheut sich der 1954 im lombardischen Cremona geborene Cottarelli nicht. Nach Wirtschaftsstudien in Siena und an der "London School of Economics" arbeitete der Ökonom von 1981 bis 1987 im Studienzentrum der italienischen Notenbank. 1988 wechselte er zum Internationalen Währungsfonds (IWF), wo er unter anderem zum Delegationschef für verschiedene Länder, darunter Italien und Großbritannien, aufrückte. Von 2008 bis 2013 bekleidete er den Posten des Direktors des Büros für Steuerangelegenheiten des IWF.

Mühsamer Kampf gegen die Bürokratie

Energisch und pragmatisch tritt Cottarelli auf: 2013 wurde er von der Regierung um den italienischen Premier Letta zum Sonderkommissar für Ausgabenkürzungen in der öffentlichen Verwaltung ernannt, einem heiklen Posten in dem von Bürokratie geplagten Italien. Die Staatsausgaben sollten gekürzt, Verschwendung in der öffentlichen Verwaltung aktiv bekämpft werden. Cottarelli stellte dem Parlament einen ehrgeizigen und schmerzhaften Sparplan vor, mit dem Italien bis 2016 zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) hätte kürzen sollen. Bei dessen Umsetzung stieß Cottarelli jedoch auf erhebliche Hindernisse.

Im November 2014 wurde der Wirtschaftsexperte von der Regierung um Premier Matteo Renzi zum Exekutivdirektor im Board des Internationalen Währungsfonds ernannt und verließ daher den Posten des "Spending Review"-Kommissars. Vor seinem Abschied klagte er in Interviews über Probleme mit der italienischen Bürokratie, die seinen Sparplan boykottiere. Seit dem 30. Oktober 2017 ist er Direktor des Beobachtungszentrums für Italiens öffentliche Ausgaben an der Katholischen Universität in Mailand.

Zuletzt hat der Lombarde öfters auf die Notwendigkeit hingewiesen, Italiens Schuldenberg in Höhe von 130 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) einzudämmen. "Wir müssen die Staatsschuld reduzieren, wollen wir nicht Sklaven der Finanzmärkte bleiben", lautet Cottarellis Mantra. Zuletzt hatte er sich auch kritisch über das Koalitionsprogramm der europafeindlichen Parteien Lega und Fünf Sterne-Bewegung geäußert, da die darin enthaltenen Wirtschaftsmaßnahmen seiner Ansicht nach zu einer extremen Steigerung von Italiens Staatsschulden führen würden.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Neue Regierung? Krisentreffen im Präsidentenpalast am Dienstagnachmittag in Rom.
Regierungschaos

Krise in Italien löst Panik aus

Italien steckt in der politischen Sackgasse: Die technische Regierung ist de facto eine Totgeburt. Und eine starke Opposition zu Lega und „Grillini“ gibt es nicht.
ITALY-POLITIC-GOVERNMENT
Außenpolitik

Italien: Designierter Premier Cottarelli braucht "mehr Zeit für Ministerliste"

Nach Gerüchten, der designierte Premier Carlo Cottarelli könnte das Handtuch werfen, gab dieser an, sich länger Zeit nehmen zu wollen für die Ministerliste seiner Regierung. Die größten italienischen Parteien fordern unterdessen sofortige Neuwahlen.
Home

Flucht aus Italien-Anleihen

Europaweit rasselten Bankaktien in die Tiefe. Gefragt waren hingegen deutsche und amerikanische Staatsanleihen sowie Gold.
Derzeit sieht es wenig danach aus, als könnte Carlo Cottarelli tatsächlich vom italienischen Parlament zum Premierminister gewählt werden.
Außenpolitik

Cottarelli: Ein Premier ohne Mehrheit sucht sein Kabinett

Italiens neues Kabinett soll sich bis Ende dieser Woche der Vertrauensabstimmung im Parlament unterziehen. Dass Cottarelli tatsächlich gewählt wird, gilt als fraglich.
Carlo Cottarelli könnte bald wieder einpacken. Der Wirtschaftsexperte versucht das Unmögliche: die Bildung einer Technokratenregierung. Im Parlament sind ihm nur die Stimmen der Sozialdemokraten sicher.
Außenpolitik

Wie Italiens Präsident den Ausweg sucht

Staatsoberhaupt Mattarella beauftragte den Ökonomen Carlo Cottarelli mit der Regierungsbildung. Eine Parlamentsmehrheit für eine Expertenregierung ist aber nicht in Sicht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.