Analyse

Und was jetzt, Mr. Trump?

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Kim Jong-un und Donald Trump verstanden sich offenbar gut und luden einander nach Pjöngjang und Washington ein.
Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Kim Jong-un und Donald Trump verstanden sich offenbar gut und luden einander nach Pjöngjang und Washington ein. (c) imago/Xinhua (Li Peng)
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Der Handshake zwischen dem US-Präsidenten und Nordkoreas Diktator wird in die Geschichte eingehen – offen ist angesichts der vagen Vereinbarung aber, ob sich die Atomkrise tatsächlich so lösen lässt.

Die Chemie zwischen Donald Trump und Kim Jong-un scheint zu stimmen: „Ich habe einen sehr talentierten Mann kennengelernt“, schwärmte der US-Präsident nach dem vierstündigen Treffen mit Nordkoreas Diktator am Dienstag in Singapur. Trump lud den Anführer des stalinistischen Landes ins Weiße Haus ein, er selbst will Kim in Pjöngjang besuchen. Denn der Gipfel sei „besser gelaufen, als irgendjemand erwarten konnte“. Auch Nordkoreas Staatschef sprach von einem „guten Auftakt zum Frieden“.

Allein, dass sich erstmals in der Geschichte ein US-Staatschef und ein nordkoreanischer Diktator öffentlich die Hand schüttelten, gibt Anlass zu Optimismus. Zumal sich die beiden Staatsmänner vor wenigen Monaten noch heftigst beschimpft und einander einen Atomkrieg angedroht hatten.

Allerdings wird der Weg zum Friedensziel in der zweiseitigen Abschlusserklärung nur sehr vage skizziert. Hier ein Überblick zu den nächsten wichtigen Schritten:

Denuklearisierung

In dem von Trump und Kim unterzeichneten Abschlussdokument verpflichtet sich Nordkorea zu einer „kompletten Denuklearisierung der nordkoreanischen Halbinsel“. Einen Zeitplan und Details zu Inspektionen blieben die beiden Staatschefs schuldig. In der schwammigen Formulierung wird auch bewusst nicht festgehalten, ob es sich um eine „sofortige“ oder eine „schrittweise“ Abrüstung handeln wird – darüber hatten zuletzt Pjöngjang und Washington gestritten. Nur so viel: Die Vereinbarungen sollen „schnellstmöglich“ umgesetzt werden. Weitere Gipfel sollen folgen, zunächst zwischen nordkoreanischen Vertretern und US-Außenminister Mike Pompeo, und schließlich erneut zwischen Trump und Kim.

Sicherheitsgarantien

Der US-Präsident verpflichtete sich zu „Sicherheitsgarantien“ für Nordkorea und erklärte, vorerst mit Südkorea keine gemeinsamen Kriegsübungen mehr abzuhalten. Ein Abzug der rund 35.000 US-Soldaten in Südkorea steht hingegen noch nicht zur Debatte, was Pjöngjang in der Vergangenheit allerdings immer als Sicherheitsgarantie von den USA eingefordert hat. Auch an den Sanktionen gegen das nordkoreanische Regime wollen die USA zunächst festhalten. Allerdings deutete Trump erstmals an, einen Teil der Sanktionen womöglich vor einer kompletten Denuklearisierung Nordkoreas aufheben zu können. Einen genauen Zeitplan dafür gibt es ebenfalls noch nicht.

Wahlkampfpunkte für Trump

Ein Großteil der Amerikaner steht hinter der Annäherung an Nordkorea. Drei Viertel hielten den Gipfel in einer im Vorfeld durchgeführten CNN-Umfrage für eine gute Idee. Nach dem Treffen wurde Kritik laut, weil Kim zwar einen Atomabbau in Aussicht stellt, jedoch nicht von einer „überprüfbaren“ Denuklearisierung die Rede ist. Ob Trumps Republikaner von dem Tauwetter mit Pjöngjang bei den Kongresswahlen im November profitieren werden, wird auch davon abhängen, ob bis dahin ein exakter Zeitplan für eine Aufgabe sämtlicher nordkoreanischer Atomwaffen präsentiert wird.

Propagandacoup für Kim

Vom international isolierten Verbrecher ist Kim Jong-un innerhalb weniger Wochen zu einem gefragten Staatschef geworden – und allein dies ist ein gelungener Propagandacoup, auch mit Blick auf mögliche Kritiker daheim. Nach Treffen mit dem südkoreanischen Präsidenten, Moon Jae-in, und Chinas Staatschef, Xi Jinping, steht jetzt eine Einladung von Kremlchef Wladimir Putin an. Sogar Erzfeind Shinzō Abe aus Japan hat Interesse an Kim gezeigt.

Der Gipfel mit Trump hat Kims internationales Ansehen noch um einiges erhöht: Der Diktator kann jetzt glaubhaft argumentieren, aus seinem Land eine international anerkannte Atommacht gemacht zu haben, die auf Augenhöhe mit dem mächtigsten Nuklearstaat der Welt verhandelt. Wenn Pjöngjang nun seine Abrüstungsverpflichtungen brechen sollte, kann es immer glaubhaft argumentieren, dass sich andere Staaten mit Atomwaffen auch nicht daran halten.

Skeptische Nachbarn

Mit Argusaugen beobachtete man in Peking die Annäherung zwischen Washington und Pjöngjang. Man fühlt sich vom Prozess ausgeschlossen, und die Schutzmacht Nordkoreas, sein wichtigster Handelspartner, möchte die Zukunft der koreanischen Halbinsel selbst bestimmen. Peking fürchtet sich vor den Folgen eines möglichen Kollaps des Regimes in Pjöngjang: Sowohl eine Massenflüchtlingswelle als auch ein vereintes, proamerikanisches Korea an der Grenze könnten China destabilisieren. Gestern begrüßte das KP-Regime den Dialog, brachte aber sofort auch eine Lockerung der UNO-Sanktionen ins Spiel, denen China nur unter US-Druck zähneknirschend zugestimmt hatte.

Nur knapp reagierte auch die japanische Regierung, die dem Dialog skeptisch gegenübersteht. Japan, zuletzt immer wieder Ziel nordkoreanischer Raketen, tritt für einen harten Kurs ein und hat ebenfalls das Gefühl, nicht miteinbezogen worden zu sein.

In Seoul hingegen atmet Präsident Moon Jae-in erleichtert auf – immerhin gilt Südkoreas Staatschef als Architekt des Nordkorea-Dialoges. Er freut sich über das gelungene Treffen: Er habe, gestand er, vor Aufregung die ganze Nacht nicht geschlafen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2018)

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