Seehofers Showdown mit Merkel

Angela Merkel in der schwersten internen Krise ihrer Amtszeit. Der Machtkampf mit Horst Seehofer und der CSU ist in der Flüchtlingsfrage dramatisch aufgeflammt.
Angela Merkel in der schwersten internen Krise ihrer Amtszeit. Der Machtkampf mit Horst Seehofer und der CSU ist in der Flüchtlingsfrage dramatisch aufgeflammt. (c) imago/Christian Thiel (Christian Thiel)
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Der CSU-Chef und Innenminister setzte der Regierungschefin in der Flüchtlingsfrage ein Ultimatum bis Montag. Wolfgang Schäuble soll als Vermittler den Bruch abwenden.

Wien/Berlin. Als Angela Merkel am vorigen Wochenende nach dem Eklat um Donald Trump vom G7-Gipfel aus Kanada nach Berlin zurückflog, dachte sie eigentlich, das Schlimmste sei überstanden. Dabei steckt die deutsche Kanzlerin in der womöglich schwersten internen Krise ihrer Amtszeit. Das unmittelbar größte Ungemach droht ihr indessen nicht vom Mann im Weißen Haus, sondern von einer Männerriege aus München.

Unter der Regie eines Trios, des Parteichefs und Innenministers Horst Seehofer, des Ministerpräsidenten Markus Söder und des Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt, probt die CSU den Aufstand just in der Flüchtlingspolitik – in der Frage der Zurückweisung von Flüchtlingen in ihre Erstaufnahmeländer. Bei einem Soloauftritt in Anne Wills Talkshow gab Merkel nach ihrer Rückkehr den Ton vor: „Ich möchte, dass EU-Recht Vorrang vor nationalem Recht hat.“

In diesem Punkt, einem von 63 Maßnahmen in Seehofers „Masterplan Migration“, scheiden sich die Schwesterparteien. Denn die CSU sieht das umgekehrt. In der Manier Trumps betonte Söder, die Ära des Multilateralismus und die Zeit der „halben Sachen“ sei vorbei. Er forderte ein Ende des „Asyltourismus“. Von SPD-Chefin Andrea Nahles trug ihm dies das Attribut „Bonsai-Trump“ ein. Bei Finanzminister Olaf Scholz (SPD) weckte der interne Machtkampf Assoziationen an die Serie „Game of Thrones“.

Merkel sprach ein rares Machtwort und zwang Seehofer zur Absage der Präsentation seines Masterplans. Sie plädiert für eine Absprache bei einem EU-Gipfel in Brüssel in zwei Wochen, CSU-Kompromissangebote schlug sie aus. Solange will Superminister Seehofer, Chef eines Mammut-Ministeriums, nicht warten: Er setzte der Regierungschefin ein Ultimatum bis Montag. Die CSU steht geschlossen hinter ihrem Vorsitzenden, einem Parteichef auf Abruf. Denn die selbst ernannte „Bayern-Partei“ bangt bei den Landtagswahlen in vier Monaten um ihre absolute Mehrheit, sie fürchtet massive Stimmenverluste an die rechtspopulistische AfD. Derzeit hält die CSU in Umfragen lediglich bei knapp über 40 Prozent, was für die Christsozialen einem Debakel gleichkäme. Söder und Dobrindt positionieren sich schon für Seehofers Nachfolge.

Kreuther Trennung

Nach nicht einmal 100 Tagen hat der Konflikt zwischen den Unionsparteien CDU und CSU in Berlin eine veritable Regierungskrise ausgelöst. Kampfvokabel dominieren Kommentare und Schlagzeilen: „Endkampf“, „Palastrevolte“, „Harakiri“. Im aufgeregten Politklima lancierte die Satirezeitschrift „Titanic“ via Twitter die Falschmeldung von einer Trennung zwischen CDU und CSU, der prompt die Nachrichtenagentur Reuters aufsaß.

Platzt die Regierung? In Berlin kursieren Szenarien wie eine Entlassung Seehofers, die zum Rücktritt Merkels, einem Regierungswechsel oder zu Neuwahlen führen könnte. Spekulationen begleiten den Showdown zwischen Merkel und Seehofer, die sich der Flüchtlingskrise 2015 wegen beharken. Eine 15-minütige Standpauke Seehofers bei einem CSU-Parteitag, in der er Merkel auf offener Bühne abkanzelte, gilt als bisher größter Affront.

In einem E-Mail an die Parteimitglieder buhlt CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer um Unterstützung für die Kanzlerin. Seehofer wähnt sich von der CDU als Provinzfürst karikiert. Währendessen agiert Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble als Vermittler. Er ist ein Kritiker der Merkelschen Flüchtlingspolitik, aber loyal. Doch selbst der unaufgeregte 75-Jährige beschwor den Bruch der CSU mit der CDU, die Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft, unter Franz Josef Strauß 1976 in Kreuth. Helmut Kohl brachte den CSU-Erzrivalen dann aber rasch zur Räson.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2018)

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