Rekordbeteiligung: Die Wahl ist für Auslandstürken vorbei

Wahlbüro in Brüssel
Wahlbüro in Brüsselimago/Depo Photos
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Etwa 52 Prozent der in Österreich wahlberechtigten Türken haben abgestimmt. In Belgien und der Schweiz war die Beteiligung besonders hoch.

Ein Bild sorgt in den sozialen Medien für Aufregung: Eine offenbar in Belgien lebende Türkin postet Fotos, wie sie an zwei verschiedenen Tagen an zwei verschiedenen Orten ihre Stimme abgibt. „An wen diese Stimme geht, muss man wohl nicht extra dazusagen“, schreibt eine Userin unter das Foto. Gingen die Überlegungen zunächst Richtung der türkischen Regierungspartei AKP, meldete sich später jedoch die kemalistisch-sozialdemokratische Partei CHP zu Wort: Die Frau habe ein Mal ihre Stimme abgegeben und habe ein Mal für ein Foto posiert, ohne Stimmabgabe. Die Abgabe von zwei Stimmen würde das System gar nicht erlauben, so die beim Posieren anwesenden CHP-Wahlbeobachter.

Am 24. Juni wählen die Türken einen neuen Präsidenten sowie ein neues Parlament, und der Wahlkampf hat freilich auch die Diaspora nicht kalt gelassen. Bei vergangenen Wahlen bzw. beim Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr musste sich die AKP Vorwürfe von Stimmenkauf und Wahlzettelfälschung gefallen lassen. Vorwürfe, die auch bei diesem Wahlkampf sowohl in der Türkei, als auch in Europa heiß diskutiert wurden. Für Europa gilt jedenfalls: Die Stimmabgabe ist seit dem späten Dienstagabend nicht mehr möglich. Mehrere Tage hatten die Auslandstürken Zeit, an den Wahlen teilzunehmen, in Österreich seit dem 7. Juni. Bereits in den ersten Tagen meldeten Beobachter eine rege Wahlbeteiligung und lange Schlangen vor dem Wiener Wahlbüro. Das Ergebnis wird veröffentlicht, nachdem auch die Wahlen in der Türkei zu Ende gegangen sind.

Stimmabgabe erst seit Reform möglich

Dem Hohen Wahlausschuss zufolge war in Belgien (knapp 58 Prozent) und der Schweiz (knapp 57 Prozent) die Wahlbeteiligung besonders hoch. Die meisten Auslandstürken leben in Deutschland, etwas mehr als 1,4 Millionen Stimmberechtigte sind hier registriert. Knapp 50 Prozent von ihnen haben sich bei diesen Wahlen beteiligt. In Österreich dürfen 106.657 Türken ihre Stimme abgeben, bei diesen Wahlen betrug die Wahlbeteiligung knapp 52 Prozent. Hierzulande, aber auch in ganz Europa ist die Beteiligung an den türkischen Wahlen kontinuierlich gestiegen (Auslandstürken dürfen erst seit einer Reform 2014 auch im Ausland wählen).

Von der Wahlbeteiligung lassen sich freilich keine pauschalen Rückschlüsse über das Wahlergebnis ziehen. In Österreich haben bei den vergangenen Wahlen diejenigen, die ihre Stimme abgegeben haben, eher die AKP gewählt. Allerdings haben zwischenzeitlich auch andere Parteien wie eben die CHP oder die prokurdische HDP begonnen, zu mobilisieren. Bei den Wahlen im Jahr 2015 hat die AKP jedenfalls 64 Prozent der in Österreich abgegebenen Stimmen erhalten, zwei Jahre später, als die Bevölkerung über die Einführung der Präsidialrepublik abstimmte, waren 73 Prozent in Österreich dafür. Auch in Deutschland ist ein Hang zur AKP bemerkbar. Etwas mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen, 54 Prozent, waren bei den Wahlen 2015 für die türkische Regierungspartei (etwa dasselbe Ergebnis haben wir auch in Frankreich). In den Niederlanden ist die AKP sogar stärker.

Die zweitstärkste Partei war in Deutschland und Frankreich die prokurdische HDP, es handelt sich also um Länder mit einer großen kurdischen Bevölkerungsanzahl. Vor allem sunnitische, gläubige Kurden haben in der Vergangenheit oftmals die AKP gewählt. Man kann also nicht davon ausgehen, dass sie automatisch der HDP ihre Stimme geben.

3,5 Millionen Wahlberechtigte

Zu den Ländern, in denen die AKP nicht wirklich Fuß fassen könnte, gehört Großbritannien. Dort erhielt die HDP bei den letzten Wahlen fast 60 Prozent der Stimmen, die AKP landete überhaupt an dritter Stelle. Auch in Finnland, Schweden und der Schweiz konnte die türkische Regierungspartei nicht reüssieren. Eine simple Erklärung könnte sein, dass politische Flüchtlinge aus dem linken Spektrum, vor allem nach dem Putsch 1980, eher in diese Länder emigriert sind. In Norwegen ist interessanterweise aber die AKP durchaus stark, bei den Wahlen 2015 landete sie an erster Stelle. Hier haben aber nur knapp 3000 Türken ihre Stimme abgegeben.

Insgesamt sind 3,5 Mio. Auslandstürken wahlberechtigt. Eine nicht zu vernachlässigende Zahl. Der Hohe Wahlausschuss gab bekannt, dass 1.49 Millionen Türken im Ausland ihre Stimme abgegeben haben. Es ist eine Rekordbeteiligung.

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