Deutschland: Die letzten Tage der Union?

Kommt das Ende der Union?
Kommt das Ende der Union?(c) APA/AFP/ODD ANDERSEN
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Die Zukunft der Regierung wird am Sonntag in München entschieden. Die CSU riskiert im Streit mit Merkel alles: die Koalition in Berlin, die Absolute in Bayern – und den Job ihres Parteichefs.

Im Franz-Josef-Strauß-Haus lag der Zeitungsaufmacher schon auf, den sich die Christsozialen an diesem Wochenende in allen Blättern gewünscht hätten: „CSU setzt Merkel unter Druck“, titelte der parteieigene „Bayernkurier“. Doch die wahre Nachricht des Tages war zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht geschrieben. Es sollte eine ganz andere werden, und sie wurde nur wenige Meter hinter dem Magazinstapel entschieden.

CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer, Ministerpräsident Markus Söder und ihr Parteivorstand tagten in der Zentrale. Durch die Glasscheiben konnte man beobachten, wie sie diskutierten, gestikulierten, auf ihre Kollegen einredeten. Die Debatte war emotional, und sie war lang: Mehr als sieben Stunden lang tagten die Christsozialen. Sie versuchten eine Antwort zu finden, auf die ganz Deutschland wartete: Reichen Angela Merkels Pläne zur Lösung des Asylstreits, um die CSU zufriedenzustellen?

Horst Seehofer legt seinen "Masterplan Migration" vor

Die Antwort darauf sickerte recht früh durch: Nein, sie tun es nicht. Die Christsozialen gehen auf Konfrontation zur Bundeskanzlerin. Seehofer verteilte in der Vorstandssitzung den „Masterplan Migration“ aus, sozusagen das Regiebuch für den Asylstreit zwischen CDU und CSU. Am Sonntag enthielt der Plan noch immer den einen von 63 Punkten, der zur Eskalation zwischen den beiden Parteien führte: Flüchtlinge müssten direkt an der Grenze abgewiesen werden, wenn ihre Fingerabdrücke schon in einem anderen Land abgegeben wurden.

Merkel legte schon vor zwei Wochen ihr Veto ein: Man werde keine nationalen Alleingänge starten. Als Kompromiss schlug sie vor, bis zum EU-Gipfel bilaterale Verträge mit anderen Staaten abzuschließen. So sollten Asylwerber schneller aus dem Land verwiesen werden. Zumindest in einem ersten Schritt gelang ihr das auch: Griechenland, Spanien und Frankreich erklärten sich bereit, Rücknahmeabkommen zu unterzeichnen. Auch Flüchtlinge, die in einem anderen EU-Land registriert wurden, sollten in Deutschland in sogenannten Ankerzentren untergebracht – und nach einer Woche abgeschoben werden.

Seehofer reichte das aber nicht. Diese Pläne seien „unzureichend“, soll er in der Krisensitzung gesagt haben. Man dürfe bereits in anderen Ländern registrierte Menschen gar nicht erst nach Deutschland lassen. Das Gespräch, das er am Samstagabend mit Merkel im Kanzleramt geführt hatte, habe auch keine Lösung gebracht. Oder, wie es Seehofer laut „Bild“-Zeitung in der Sitzung formulierte: „Das Treffen war wirkungslos. Ich fahre extra nach Berlin, und die Kanzlerin bewegt sich null Komma null.“

Angela Merkel bekommt Unterstützung in der CDU


Merkel erhielt am Sonntag von der CDU auch die Unterstützung, an ihren Plänen festzuhalten. Allerdings plädierte sie noch immer dafür, eine Einigung mit den Christsozialen zu finden, Im „Sommergespräch“ im ZDF sagte sie am Nachmittag: Sie werde alles daran setzen, dass innerhalb der Union Ergebnisse gebe, „bei denen wir Verantwortung für unser Land wahrnehmen können“. Sie verstehe das „Anliegen der CSU, dass man in die Grenzkontrollen mehr Ordnung bringen will. Ich bin Seehofer entgegengekommen, wie ich finde.“

Die Folgen des Bruchs der Union

Man musste am Sonntag gar nicht das Ende der Sitzung abwarten, um zu wissen: Macht die CSU ernst, ist es das Ende der Union. Das Ende der Bundesregierung. Und das politische Ende Seehofers. Beauftragt das Innenministerium die bayrische Polizei mit strengeren Kontrollen an der Grenze, ohne die Unterstützung aus dem Kanzleramt zu haben, wäre das ein Verstoß gegen die Richtlinienkompetenz. In anderen Worten: Merkel hatte bereits klargestellt, dass sie in einem solchen Fall den Minister entlassen würde. Dann könnte die Union allerdings all ihre Regierungsmitglieder abziehen, das Fraktionsbündnis im Parlament aufkündigen – und das Ende der Union beschließen.
Das könnte nicht nur auf Neuwahlen in Deutschland hinauslaufen, sondern auch Auswirkungen auf die Landtagswahl in Bayern haben. Am 14. Oktober wird gewählt. Und die CDU könnte neben der CSU noch eine eigene Liste einreichen.

Auf einen Blick

Die Union. Am Sonntag tagten die Parteigremien von CDU und CSU. Getrennt, versteht sich. Für Montag war eigentlich noch ein gemeinsames Treffen geplant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2018)

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