Seehofer: "Lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist"

Horst Seehofer gibt sich kampfeslustig
Horst Seehofer gibt sich kampfeslustigREUTERS
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Vor dem finalen Showdown zeigt sich der Bundesinnenminister kampfeslustig. Montagabend findet das wichtige Gespräch zwischen CSU und CDU statt. Die Zukunft der Koalition - und die Zukunft Seehofers hängen davon ab.

Bundesinnenminister Horst Seehofer zeigt sich kampfeslustig: Vor dem mit Spannung erwarteten Krisentreffen am Montagabend in Berlin sagte Seehofer laut der "Süddeutschen Zeitung": "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist." Er sei in einer Situation, die für ihn unvorstellbar sei. "Die Person, der ich in den Sattel verholfen habe, wirft mich raus."

Seit Tagen spitzt sich der unionsinterne Streit um die deutsche Asylpolitik bereits zu. Der Konflikt belastet die Union aus CDU und CSU und somit auch die Große Koalition schwer. Es müssten wirksame Kompromisse gefunden werden, sagte Söder. Gleichzeitig hob er hervor: "Keiner will bei uns die Regierung als solche infrage stellen."

Die Lage ist jedenfalls ernst: Laut Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble steht die Union "am Abgrund". Zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident, Markus Söder, die Kompromissbereitschaft seiner Partei betont. "Wir sind zu Kompromissen bereit, das muss man ja auch sein in der Politik", sagte Söder am Montag in Passau. "Es gibt jetzt bei uns keinen Weg aus der Regierung hinaus oder eine Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft." Denn ein solcher Schritt würde dem Anliegen der CSU nicht "zur Stärke verhelfen, sondern eher schwächen", fügte Söder hinzu. Zum in der Nacht angebotenen Rücktritt von CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer wird mit den Worten zitiert: "Der Horst hat uns sehr überrascht." 

Nach dem Spitzengespräch der Union am späten Montagnachmittag wird gegen 22 Uhr auch der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD tagen. Für das CDU-CSU-Gespräch hat die bayerische Partei ihre Verhandlungsdelegation für das Krisengespräch aufgestockt: Es nehme auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, an dem Treffen teil, heißt es. Damit sind beide Parteien mit je acht Politikern vertreten. Immerhin gibt sich Unions-Fraktionschef Volker Kauder mit Blick auf eine Einigung im Asylstreit optimistisch. Er erwarte, dass es am Abend zu einer Lösung komme: "Wir bleiben beieinander."

Seehofer bietet Rücktritt an

Horst Seehofer hatte in einer Krisensitzung der CSU am Sonntag in München seinen Rücktritt als Parteichef und Innenminister angeboten. Er will am Montag aber noch einen letzten Einigungsversuch mit Merkel unternehmen. Vom Ausgang dieses Gesprächs machte Seehofer seine politische Zukunft abhängig. Mit seiner Ankündigung habe Seehofer die Partei "sehr überrascht", sagte Söder. Die Runde habe ihn gebeten, dies zu überdenken und im Amt zu bleiben.

"Brauchen endlich Wendepunkt"

Der CDU-Vorstand hatte sich in seiner Sitzung am späten Sonntagabend in einem Beschluss hinter Merkel gestellt und sich gegen "einseitige Zurückweisungen" an der Grenze ausgesprochen. Der Beschluss wurde bei einer Enthaltung gefasst. "Einseitige Zurückweisungen wären das falsche Signal an unsere europäischen Gesprächspartner", heißt es in dem Beschluss.

CSU-Vorstandmitglied Hans-Peter Friedrich wagt keine Prognose über den Ausgang des Asylstreits. Es bleibe abzuwarten, was in den Gesprächen im Laufe des Tages mit Bundeskanzlerin Angela Merkel herauskomme, sagte Friedrich am Montag im Deutschlandfunk. "Und davon wird sicher abhängen, ob Horst Seehofer dann Konsequenzen für sich selber zieht." Friedrich warf Merkel eine starre Haltung vor. Seehofer habe mehrere Kompromisse angeboten, die die CDU-Chefin konsequent abgelehnt habe. "Und das nährt natürlich den Verdacht, dass sie das bewusst auch in Kauf nimmt, dass Horst Seehofer zurücktritt."

In Berlin berät unterdessen auch das SPD-Präsidium über die Flüchtlingspolitik. Die engere Parteiführung und der Parteivorstand wollen ein Fünf-Punkte-Papier beschließen, in dem ein nationaler Alleingang bei der Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze abgelehnt wird. Der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil wirft der CSU vor, sie sei nur auf ihren "kleinkarierten Vorteil" bedacht. Bei der SPD löse dieses Verhalten nur Kopfschütteln aus.

Merkel hat Mehrheit hinter sich

Das Auftreten der CSU im deutschen Asylstreit mit der Schwesterpartei CDU wird nur von einer Minderheit der Bundesbürger unterstützt. In dem am Montag veröffentlichten "Trendbarometer" der Fernsehsender RTL und NTV halten zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) das Vorgehen der CSU und ihres Parteichefs Horst Seehofer für verantwortungslos.

Zwei Drittel der Deutschen (69 Prozent) wollen wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine europäische Lösung. Seehofer kann nicht einmal die Mehrheit der CSU-Anhänger überzeugen - jeweils knapp die Hälfte sind für Merkel (49 Prozent) und den Innenminister (48 Prozent). Alle anderen, bis auf die AfD, stützen mehrheitlich die Kanzlerin - die Anhänger der CDU (83 Prozent), der SPD (85 Prozent), der Grünen (95 Prozent), der Linken (79 Prozent) und der FDP (66 Prozent). Nur unter den AfD-Anhängern gibt es einen Mehrheit für Seehofers Forderung nach einer nationalen Lösung der Flüchtlingspolitik (88 Prozent).

Die Forsa-Umfrage wurde vom vergangenen Montag bis Freitag unter mehr als 2500 deutschen Bürgern erhoben und damit vor der Eskalation des Asylstreits am Wochenende. Seehofer bot in einer Krisensitzung der CSU in der Nacht zum Montag seinen Rücktritt an. Er will am Montag noch einen letzten Einigungsversuch mit Merkel unternehmen. Von dem Ausgang dieses Gesprächs machte Seehofer seine politische Zukunft abhängig.

Im "Trendbarometer" erreicht die CSU in Bayern bei der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl nur noch 34 Prozent, das entspricht einem bundesweiten Ergebnis von lediglich fünf Prozent. Die CDU liegt mit 26 Prozent knapp unter ihrem Bundestagsergebnis. Zusammen komm die Union damit auf 31 Prozent. Die SPD kommt auf 17 Prozent, die FDP auf zehn Prozent und die Grünen auf zwölf Prozent. Die Linke erreicht zehn Prozent und die AfD 15 Prozent.

(APA/Reuters/ag.)

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