Merkels Abschied – in die Ferien

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übte sich am Freitag in Zweckoptimismus. „Wir leben in einer interessanten Zeit. Wer hätte gedacht, was alles möglich ist?“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übte sich am Freitag in Zweckoptimismus. „Wir leben in einer interessanten Zeit. Wer hätte gedacht, was alles möglich ist?“REUTERS
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Zuerst kommt der große Medienauftritt, dann der Urlaub: Die Kanzlerin zieht über das vergangene Jahr Bilanz. Vor allem will Merkel zeigen: Sie ist vielleicht müde, aber nicht amtsmüde.

Berlin. Im Spätsommer 2016 zweifelte Angela Merkel, und Deutschland mit ihr: Soll die Kanzlerin bei der Bundestagswahl noch einmal antreten? Will sie eine vierte Amtszeit anhängen? Die Antwort kam an einem Sonntagabend im November: Sie wollte. Ein Jahr später kandidierte sie wieder für die CDU.

Hätte sie es auch gemacht, wenn sie gewusst hätte, was die kommenden Monate innenpolitisch auf sie zukommen sollte? Nach gescheiterten Jamaika-Verhandlungen, der Wiederauflage einer ungeliebten GroKo, kam nach 100 Tagen schon eine handfeste Regierungskrise. Das vergangene Jahr hat Merkel gezeichnet. Und es hat sie auch geschwächt.

Gut möglich, dass sie trotzdem kandidiert hätte. Denn gerade diese Instabilität, die es in der Weltpolitik gab, hätte Merkel zum Weitermachen animiert, heißt es. Nun ist die Unsicherheit auch im eigenen Land weiter gestiegen. Donald Trump, Wladimir Putin, Horst Seehofer – Merkel sah sich verpflichtet, für Ordnung und Zusammenhalt zu sorgen. Auch wenn sie, vor allem mit ihrer Flüchtlingspolitik, wohl auch einen Teil zur Polarisierung beigetragen hat. Merkel sorgte sich 2016 um ihr politisches Erbe. Und sie tut es auch heute noch.

„Nein, nein, nein“

An einen Rücktritt habe sie in den vergangenen Monaten also nie gedacht, antwortete sie am Freitag. Und zwar auf ziemlich bestimmte Art und Weise, für ihre Verhältnisse: „Nein, nein, nein.“ Die dazugehörigen Fragen, in wechselnden Formulierungen, hatten gleich mehrere Journalisten gestellt: Bei der traditionellen Sommerpressekonferenz, dem letzten großen Medientermin vor den Ferien. Merkel wollte vor allem eines zeigen: Sie ist vielleicht müde, aber nicht amtsmüde.

Für die Kanzlerin war es auch eine Gelegenheit, ihre Ziele für ihre Kanzlerschaft noch einmal zu kommunizieren. Zu formulieren, wohin sie politisch eigentlich noch will. Es blieb ziemlich vage: Solidarität und Stabilität.

Das funktioniert allerdings nicht nur mit Merkel allein, findet sie. Also sprach sie ihrem derzeit größten Widersacher, CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer, eine Drohung aus. Indirekt, versteht sich: „Erstrangig ist, dass die Handlungen der Regierung entsprechend den Richtlinien der Kanzlerin erfolgen“, sagte sie.

„Freue mich länger zu schlafen“

Es brauche einen anderen Umgang innerhalb der Regierung. Dass sich CDU und CSU öffentlich wochenlang gestritten haben, sei nicht der richtige Weg, um Konflikte auszutragen. „Die Tonalität war oft sehr schroff, und ich messe der Sprache auch eine sehr, sehr große Bedeutung zu“, sagte sie. Die Bevölkerung habe Vertrauen in die Koalition verloren. „Das haben wir uns aber selbst zuzuschreiben.“

All die Konflikte innerhalb Deutschlands, aber auch auf globaler Ebene – am Ende versuchte Merkel sogar, sie positiv zu sehen. Oder sie so zu verkaufen: „Wir leben in einer sehr interessanten, bestimmenden Zeit. Wer hätte gedacht, was alles möglich ist?“ Es habe sich einiges in der globalen Ordnung verändert. „Ich kann nicht sagen, dass ich nicht gefordert bin.“ Diese Entwicklungen, „gehen aber weit über meine Amtszeit hinaus“. Wie lange diese andauern werde? 2018, 2019 – oder vielleicht doch noch eine weitere Legislaturperiode? „Es gibt für alle Dinge einen geeigneten Zeitpunkt“, um sie zu kommunizieren, sagte Merkel. Der Freitag war es für sie nicht.

Wohin Merkel also will? Erst einmal in den Urlaub. „Ich verhehle nicht, dass ich mich darauf freue, ein paar Tage länger zu schlafen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2018)

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