Salzburg und die Politik: DDR-Orchester und Kreisky, der nicht küssen wollte

Blick auf Salzburg
Blick auf Salzburg(c) imago/Peter Widmann
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Die Salzburger Festspiele sind eine wichtige Visitenkarte für Österreich. Spitzenpolitiker treffen hier zusammen, doch sprechen sie selten über Konkretes. Eine Chronik.

An den christlich-sozialen Salzburger Landeshauptmann Franz Rehrl (1890-1947) erinnert heute ein Denkmal am Max-Reinhardt-Platz. Die meisten, die daran vorbei gehen, wissen wohl mit dem Namen nichts mehr anzufangen. Rehrl, der von 1922 bis 1938 im Amt war, musste große Widerstände überwinden, um die Festspiele durchzusetzen. Nach dem I. Weltkrieg befürchteten die Salzburger, die Touristen könnten die Nahrungsmittelknappheit in der Mozartstadt verschärfen. Rehrl gab nicht nach. In seiner Amtszeit gab es wichtige Neu-und Umbauten im Festspielbezirk, zuletzt 1937 von Architekt Clemens Holzmeister. Dirigent Arturo Toscanini verlangte, dass der Zuschauerraum des Festspielhauses um 180 Grad gedreht wurde, worauf Rehrl sogar sein eigenes Geburtshaus im heutigen Toscaninihof abreißen ließ. 1938 wurde Rehrl beim Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich vorübergehend verhaftet – und erneut, als er sich für das Unternehmen Walküre engagierte. Nach dem gescheiterten Attentat der Widerstandskämpfer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf Adolf Hitler blieb Rehrl bis 1945 im Gefängnis, schwer gezeichnet starb er an den Folgen der Haft. Rehrl, Sohn eines Zimmermannes, Jurist, war ein mutiger, fortschrittlich denkender Mann. 1930 beschloss der Landtag den Bau der Großglockner-Hochalpenstraße – auf der Rehrl als erster mit dem Auto fuhr.

Hochrangige Politiker kommen gern nach Salzburg, aber eher um sich zu zeigen und Smalltalk zu treiben als für konkrete Beschlüsse. Am meisten sind sie gefragt, wenn es Turbulenzen um die Festspiele oder ihre Intendanten gibt. Die lebhaftesten Diskussionen darüber gab es in jüngerer Zeit um den 2014 verstorbenen Festspielchef Gérard Mortier, der ab 1991 forsch Karajans Erbe umgestaltete. Alexander Pereira, heute Direktor der Mailänder Scala, schreckte die Festspiel-Verantwortlichen mit Expansionsgelüsten beim Programm – er regierte nur kurz, von 2012 bis 2014. Jürgen Flimm, Schauspieldirektor und Intendant des Festivals (2006-2010), hatte einen guten Draht zum früheren Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Es hieß immer wieder, Schüssel habe sich für Flimm als Festspielintendant eingesetzt – und der Kanzler überreichte dem Regisseur auch 2004 höchstpersönlich das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse.

"Wohldosierte Kleinst-Irritation"

Bei Festspiel-Symposien knallten indes Kunst und Politik gelegentlich auch geräuschvoll aufeinander. 2007 fasste die Komponistin Olga Neuwirth die Haltung in Salzburg zu Innovationen so zusammen: „Visionen werden nicht realisiert. Die künstlerische Freiheit wird von vornherein beschnitten. Man bittet den Künstler zwar um ausgesuchte, wohldosierte Kleinst-Irritation, die aber sofort wieder glatt gebügelt werden müssen.“ 2006 hatte Österreich den Ratsvorsitz in der EU, „Sound of Europe“ hieß eine hochkarätig besetzte EU-Veranstaltung in Salzburg, bei der Martin Kusej, von 2004 bis 2006 Schauspieldirektor der Festspiele und ab 2019 Burgtheaterdirektor in Wien, boshaft resümierte: "Ich sitze hier als EU-Bürger. Mir war, bei allem Respekt, ein bisschen fad.“ Und weiter: „Die Kunst ist fast ein sakraler Ort ohne Rücksicht auf den ökonomischen Wert."

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