Brasilien: Attentat auf den ultrarechten „Messias“

Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro wurde bei einem Messerangriff schwer verletzt.
Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro wurde bei einem Messerangriff schwer verletzt.imago/ZUMA Press
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Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro wurde bei einem Messerangriff schwer verletzt. Die Motive des Angreifers geben Rätsel auf – er handelte „auf Befehl Gottes“, sagte er.

Brasilia/Buenos Aires. Nach langem Bangen besteht nun doch Hoffnung: Sein Zustand sei stabil, sagten die Ärzte in der Kleinstadt Juiz de Fora, als sie Freitagfrüh einwilligten, Brasiliens prominentesten Patienten in eine Topklinik in São Paulo zu verlegen. Der rechtspopulistische Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro wird nach einer Messerattacke nun seine Kampagne vom Krankenbett aus führen müssen.

Videoaufnahmen dokumentieren den Angriff: Inmitten einer Menge aus jungen und vorwiegend weißen Männern wird „der Mythos“ – so bezeichnen ihn seine Fans – auf Schultern getragen. Der 63-Jährige trägt ein T-Shirt der Nationalmannschaft. Er strahlt, winkt – und sackt dann plötzlich zusammen. Mehrere Aufnahmen zeigen, wie sich ein Messer auf Bolsonaros Bauch zubewegt, ein handelsübliches Küchenmesser, wie sich später herausstellt.

Mehr als einen Stich kann der Attentäter seinem Opfer nicht versetzen, die Leibwächter überwältigen ihn sofort. Später twittert Bolsonaros Sohn Flávio, sein Vater habe viel Blut verloren, es bestehe Lebensgefahr.

Der Attentäter heißt Adélio Bispo de Oliveira, er ist ein 40-jähriger Gelegenheitsarbeiter. Seine Facebook-Seite ist voller Verschwörungstheorien und Angriffe auf die Politikerelite, auf Freimaurer und auf Bolsonaro, den viele als den „Messias“ bezeichnen. Er habe auf Befehl Gottes gehandelt, sagte der Attentäter später.

Bolsonaro setzt auf Provokation: Seine Anhänger tragen T-Shirts, auf die Sturmgewehre aufgedruckt sind. Der Politiker selbst greift auf Veranstaltungen gern zum Mikrofonständer, den er wie ein automatisches Schießgerät umfasst, und fordert freien Waffenzugang für die gesamte Bevölkerung – sogar für Jugendliche. Nun darf er wohl froh sein, dass seine Vision noch nicht Realität ist, denn der Attentäter hatte im Vorjahr bereits Schießunterricht genommen, jedoch keine eigene Waffe besessen.

Kurz vor dem Attentat hatte das Umfrageinstitut Ibope gemeldet, dass Bolsonaro nach dem Ausschluss des wegen Korruption verurteilten Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva der beliebteste Kandidat bei der Wahl am 7. Oktober sei. Der Offizier, dem seine Vorgesetzten einst „übertriebenen Ehrgeiz, sich ökonomisch zu realisieren“ vorwarfen, wechselte 1988 in die Reserve und danach fast direkt in die Politik. Über die Jahre hinweg besaß er acht Parteibücher kleiner Fraktionen.

Lang fiel er nur wegen seines aggressiven Verhaltens auf. Einer linken Abgeordneten sagte er in aller Öffentlichkeit, sie sei es nicht wert, von ihm vergewaltigt zu werden. Seine Tochter Laura bezeichnet er als „Betriebsunfall“, Indigene tituliert er regelmäßig als „faul“ und Schwarze als „nicht einmal imstande, die eigene Art zu erhalten“. Dass Bolsonaro trotz alledem so populär ist, ist ein Zeichen für den desolaten Zustand des korrupten politischen Systems.

Börse reagiert positiv

Gleichwohl: 44 Prozent der Wähler lehnen Bolsonaro vehement ab und würden laut Umfragen „keinesfalls ihr Kreuz hinter seinem Namen machen“. Deshalb ist laut Demoskopen seine Niederlage in der zweiten Wahlrunde Ende Oktober sehr wahrscheinlich.

Die anderen Präsidentschaftskandidaten verurteilten das Attentat, das die Kurse an der Börse von São Paulo nach oben trieb. Anleger hoffen auf einen Imageschaden der Linken. Geraldo Alckmin, konservativer Ex-Gouverneur von São Paulo und farbloser Kandidat des Establishments, rangiert momentan in Umfragen mit zehn Prozent nur an vierter Stelle hinter dem linken Ciro Gomes und der Grünen Marina Silva. Er hofft trotzdem auf Einzug in die Stichwahl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2018)

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