Äthiopien/Eritrea: „Am Horn von Afrika bläst der Wind der Hoffnung“

Abyi Ahmed (l.) und Isaias Afewerki, der äthiopische Premier und der Präsident Eritreas trafen sich im saudischen Dschidda.
Abyi Ahmed (l.) und Isaias Afewerki, der äthiopische Premier und der Präsident Eritreas trafen sich im saudischen Dschidda.(c) APA/AFP/Saudi Royal Palace/BANDA
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Die früheren Erzfeinde schlossen einen Friedenspakt. Äthiopiens junger Premier Abyi Ahmed leitete die Annäherung ein.

Wien/Addis Abeba. Mit Vorschusslorbeeren geht ein Mann wie António Guterres gemeinhin sparsam um. Das lehrt den UN-Generalsekretär die Erfahrung. Doch angesichts des Friedens- und Freundschaftspakts zwischen Äthiopien und Eritrea, den früheren Erzfeinden, den die ostafrikanischen Nachbarn unter den Augen des UN–Chefs und der saudischen Königsfamilie am Sonntag im saudischen Dschidda besiegelten, übte sich Guterres in Optimismus: „Am Horn von Afrika bläst der Wind der Hoffnung.“

Aufgrund des schwindelerregenden Tempos der Annäherung zwischen den feindlichen Brüdern war dies sogar noch eine Untertreibung. Abyi Ahmed und Isaias Afewerki, der äthiopische Premier und der Präsident Eritreas, haben sich in den vergangenen zehn Wochen so oft in den Armen gelegen und haben miteinander gescherzt, gelacht und Tränen vergossen, dass sie nun eigentlich als Top-Favoriten für den Friedensnobelpreis gelten müssten.

Krieg um Wüstenkaff

In der Vorwoche feierten sie mit der Öffnung der Grenzen, der Äthiopien endlich wieder Zugang zum Roten Meer verschafft, gemeinsam den äthiopischen Neujahrstag. Zuvor schon hatten sie einander in den Hauptstädten Addis Abeba und Asmara besucht, um den Kriegszustand aufzuheben, die Botschaften wiederzueröffnen, die Post- und Flugverbindungen wiederaufzunehmen. Oft kam es nach mehr als 20 Jahren erstmals wieder zu einem Wiedersehen von Verwandten der Tigray-Ethnie dies- und jenseits der Grenze.

Vor 20 Jahren war um das staubige Wüstenkaff Badme und das Umland ein Krieg zwischen Äthiopien und der früheren italienischen Kolonie Eritrea entbrannt, der in zwei Jahren 80.000 Todesopfer forderte – einer der absurdesten Kriege der jüngeren Vergangenheit. Eritrea hatte nach einem Guerillakrieg erst 1993 die Unabhängigkeit von Eritrea erlangt. Äthiopien sabotierte ein Friedensabkommen, das es zur Rückgabe von Badme gezwungen hätte. Eritrea rüstete die Armee hoch – mit dem Effekt, dass junge Eritreer in Scharen vor dem rigorosen Militärdienst nach Europa flohen.

Der größte Lorbeer für den Umschwung gebührt indes nicht dem Autokraten Afewerki, sondern dem 41-jährigen Abyi, der im April überraschend ins Premiersamt gekommen war und vom ersten Tag an eine neue Ära einläutete. Er ließ Tausende politische Gefangene frei, setzte sich für ein Amnestiegesetz ein, entschuldigte sich demonstrativ für Menschenrechtsverletzungen der regierenden Einheitspartei und versprach Freiheit und Demokratie. In Äthiopien vergleichen sie den Sohn eines Muslims und einer Christin mit Barack Obama und taufen Kinder auf seinen Namen, in den Straßen von Addis Abeba hängen überlebensgroße Plakate von Abyi. Im Sommer reiste der Premier nach Washington, um die äthiopische Diaspora in den USA als Investoren und für eine Rückkehr in die Heimat zu gewinnen. Ökonomisch richtet sich sein Blick zugleich aber auch nach Saudiarabien und China.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2018)

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