Malediven: Wenn die Idylle im islamischen Urlaubsparadies bröckelt

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Dem Wahlkampf auf den Malediven fiel ein Kunstwerk zum Opfer: Die Polizei zerstörte einen „unislamischen“ Unterwasser-Skulpturengarten. Es war einer der seltenen Momente, in dem die Politik in die abgeschottete Welt der Luxusressorts vordrang.

Wenn in Europa die Temperaturen sinken, ist auf den Malediven wieder Hochsaison. Die tristen Hochhäuser der dicht bewohnten Inselhauptstadt Malé sehen die meisten Gäste nur aus der Luft, wenn sie mit dem Wasserflugzeug in ihr Inselressort gebracht werden. Dort erwartet sie eine Idylle aus weißem Sand, klarem Wasser, bunte Fischen und Delfinen. Was in vielen Luxushotels auf den Tisch kommt, hat oft einen genauso langen Weg zurückgelegt wie die Touristen: Wasser aus San Pellegrino und Evian, natürlich auch Champagner und Schweinefleisch. Nach sexuellen Präferenzen und Religion werden die mehr als eine Million Reisende, die jährlich ins Land kommen, nicht gefragt. Und den Plastikmüll aus China, der ständig angeschwemmt wird, picken die Angestellten von den Stränden.

Mit der Realität der 350.000 Einwohner der Malediven hat das alles freilich wenig zu tun. Religionsfreiheit gibt es nicht, Alkohol ist verboten und Homosexuellen drohen harte Strafen. Der am Sonntag abgewählte Staatspräsident Abdulla Yameen herrschte in den vergangenen Jahren mit harter Hand und ließ zahlreiche Oppositionelle einsperren. Viele Menschen leben in Armut und die Terrormiliz IS war – in Relation zur Einwohnerzahl - in keinem anderen Land der Welt so erfolgreich mit der Rekrutierung von Kämpfern.

Der durchschnittliche Urlauber bekommt von all dem nichts mit. Während auf den Einheimischen-Inseln das Gesetz des Islams herrscht, gelten auf den Touristeninseln andere Regeln. Denn der Staat kann es sich nicht leisten, dass seine wichtigste Einnahmequelle versiegt.

Skulpturen als Symbol der Gotteslästerung?

Ungewöhnlich ist daher, was vergangene Woche, kurz vor der Wahl, im neuen Luxusressort „Sirru Fen Fushi“ der Fairmont-Gruppe geschehen ist. Polizisten rückten mit Hämmern und Spitzhacken an und entfernten alle Figuren aus dem ersten Unterwassermuseum der Malediven.

Das sogenannte „Coralarium“ eröffnete erst diesen Sommer, gestaltet hat es der bekannte britische Künstler Jason deCaires Taylor in neunmonatiger Arbeit. Als Modelle für die Skulpturen dienten echte Menschen, viele von ihnen Einheimische. Die Figuren sind teils realistisch geblieben, teils phantastische Wesen – Hybride aus Mensch und Koralle. Im Meer sollte auf ihnen neues Leben entstehen. Für den Künstler ist das Coralarium ein Symbol für die Symbiose von Menschen von der Natur, für den Staat aber ein Symbol von Gotteslästerung. Unislamisch soll es sein, so der Vorwurf. Das Hotel habe das Kunstwerk trotz Aufforderung nicht entfernt, da habe eben die Staatsgewalt anrücken müssen - inklusive Dokumentation auf Twitter:

Der Künstler Jason deCaires Taylor zeigte sich „extrem geschockt“. So wie er brauchte auch das Hotel einige Tage, um zu reagieren. Man sei „sehr überrascht“ von der Aktion, hieß es in einer Stellungnahme. Man ließ aber auch mitteilen, dass die Behörden bei der Entfernung der Skulpturen behutsam vorgegangen seien und den Hotelbetrieb nicht gestört hätten. Natürlich respektiere man die Tradition und Kultur der Malediven, man habe nicht provozieren wollen. Die Strukturen des Kunstwerks seien alle erhalten geblieben, gemeinsam mit dem Künstler werde man eine Lösung finden, die auch für die Einheimischen tragbar ist.

Druck von religiösen Führern

Nicht ohne Grund wählte die Fairmont-Gruppe ihre Worte mit viel Bedacht. Denn auch wenn die Tage von Staatsoberhaupt Abdulla Yameen gezählt sind und es mit dem Regierungswechsel eine Hoffnung auf mehr Demokratie gibt: dass er das Kunstwerk kurz vor dem Wahlsonntag entfernen ließ, kommt nicht von ungefähr. Oppositionelle und religiöse Führer haben dagegen mobil gemacht, es im Wahlkampf gegen den Noch-Präsidenten benutzt, den Druck stetig erhöht. Yameen wollte sich durch die öffentlichkeitswirksame Aktion die Unterstützung von konservativen Muslimen sichern.

Gewonnen hat die Wahl am Ende dennoch sein Gegner Mohamed Soli. Der hielt sich in der Debatte um die Skulpturen bedeckt. Dem "Maldives Independent" erklärte der Oppositionssprecher Ahmed Mahloof, es brauche generell eine Diskussion darüber, was als Götzenbild gewertet werden soll. Etwa auch Schaufensterpuppen in den Modegeschäften von Malé?

Was in den Inselressorts passiert, stößt jedenfalls vielen konservativen Einheimischen sauer auf und sorgt immer wieder für Diskussionen. Vor sechs Jahren etwa entbrannte ein Streit über die Wellness-Bereiche der Hotels, die als Horte der Prostitution verunglimpft wurden. Zahlreiche Ressorts mussten ihre Spas vorübergehend schließen. Die Urlaubsidylle auf den Malediven ist eine sehr fragile.

(c) Die Presse

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