Schweden: Parlament gibt Premier Löfven den Laufpass

Stefan Löfven, Schwedens bisheriger Premier, könnte trotz Abwahl noch länger geschäftsführend im Amt bleiben, denn die Regierungsbildung dürfte sich in die Länge ziehen.
Stefan Löfven, Schwedens bisheriger Premier, könnte trotz Abwahl noch länger geschäftsführend im Amt bleiben, denn die Regierungsbildung dürfte sich in die Länge ziehen. (c) APA/AFP/JONATHAN NACKSTRAND
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Der sozialdemokratische Premier ist mit den Stimmen des bürgerlichen Blocks und der Rechtspopulisten abgewählt worden. Das Land steht vor einer schwierigen Regierungsbildung.

Stockholm. Zwei Wochen nach den Parlamentswahlen bleibt die politische Lage im sonst so stabilen Schweden verzwickt. Bei einer Vertrauensabstimmung am Dienstag hat das schwedische Parlament, der Riksdag, den seit vier Jahren amtierenden, sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven mit 204 zu 142 Stimmen abgewählt. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) machten das möglich, indem ihre 62 Abgeordneten mit dem bürgerlichen Oppositionsblock (143 Mandate) gegen Löfvens rot-rot-grünes Bündnis (144 Mandate) stimmten.

Bis zur Bildung einer neuen Regierung bleibt Löfven kommissarisch im Amt. Doch wie diese aussehen wird, wagt derzeit niemand vorauszusagen. Denn die Pattsituation zwischen dem rot-rot-grünen Lager und der bürgerlichen Vier-Parteien-Allianz – bestehend aus der liberalkonservativen Moderaterna von Premiersanwärter Ulf Kristersson, dem sozialliberalen Zentrum, den sozialkonservativen Christdemokraten und den Liberalen – hat sich festgefahren.

Zwar hat der bürgerliche Block schon bei der Parlamentseröffnung am Montag die Wahl ihres Kandidaten Andreas Norlén zum Parlamentsvorsitzenden auch den Stimmen der Schwedendemokraten zu verdanken. Doch diese waren offiziell an keine Gegenleistungen geknüpft. Vielmehr sollten sie ein Appetitanreger sein. Der Parteichef der Schwedendemokraten, Jimmie Akesson, machte klar, dass er eine bürgerliche Regierung nur stützen würde, wenn seine Partei auch politischen Einfluss erhielte – vor allem auf die Ausländerpolitik.

Noch nicht salonfähig

2010 kamen die Schwedendemokraten mit 5,7 Prozent erstmals in das Parlament, 2014 erzielten sie 12,9 Prozent. Mit 17,5 Prozent sind sie nun zum dritten Mal das Zünglein an der Waage zwischen den beiden großen Blöcken. Doch Letztere tun sich schwer damit. Die 1988 von Neonazis mitgegründete SD gilt trotz interner Aufräumaktionen noch immer nicht als gänzlich salonfähig.

Bisher haben sich die traditionellen Blöcke bei den wichtigen Abstimmungen geeinigt und die Schwedendemokraten so einflusslos stehen gelassen. Der Gedanke dabei war, dass stets der größte Block regiert, der zweitgrößte ein paar Forderungen durchsetzt und sonst ein Auge zudrückt. Schon die zweite bürgerliche Minderheitsregierung von Fredrik Reinfeldt, Löfvens Vorgänger bis 2014, nutzte dieses Prinzip.

Obwohl die bürgerlichen Parteien so nicht mehr weitermachen wollen, haben zumindest das Zentrum und die Liberalen am Dienstag erneut ausgeschlossen, der SD politischen Einfluss einzuräumen. Bei Moderaterna und Christdemokraten (KD) gibt es dagegen parteiintern immer mehr Befürworter einer Kooperation mit der SD. Einer kleinen Sensation gleich plädierte am Dienstagnachmittag KD-Chefin Ebba Busch Thor erstmals völlig offen für eine Regierung mit der SD als Stützpartei.

Gemeinsam strebt die bürgerliche Vier-Parteien-Allianz aber weiterhin eine von den Sozialdemokraten gestützte Regierung an. „Wir werden niemals eine Stützpartei für eine Allianzregierung sein“, schloss Löfven am Dienstag nach der Abstimmung aus. Der Noch-Premier und Parteichef hofft wiederum darauf, die bürgerliche Allianz aufspalten zu können, indem er das Zentrum und die Liberalen als Stützkräfte oder als Koalitionspartner gewinnt. Nur so kann er an der Macht bleiben. Liberale und Zentrum haben allerdings am Montag bekräftigt, dass sie dabei auf keinen Fall mitmachen werden.

Als wahrscheinlichere Alternative gilt deshalb eine instabile bürgerliche Minderheitsregierung, bestehend aus Moderaterna und Christdemokraten, die sich von der SD als auch vom Zentrum und von den Liberalen stützen lässt. Die beiden Stützparteien würden dafür einen hohen politischen Preis zahlen, weil sie stets ausgeschlossen haben, der SD Einfluss zu gewähren, und sei es auch nur indirekt.

Eine Große Koalition aus Sozialdemokraten und Moderaterna ist laut dem Chefkommentator des öffentlich-rechtlichen Fernsehens SVT, Mats Knutson, eher unwahrscheinlich. Vermutlich wird der bürgerliche Spitzenkandidat Kristersson als Erstes den Regierungsauftrag erhalten. Nach vier gescheiterten Versuchen müssten Neuwahlen ausgerufen werden. Doch selbst dann würde höchstwahrscheinlich dieselbe Pattsituation entstehen. Mit anderen Worten: Es wird dauern, bis Schweden einen neuen Premier bekommt.

Auf einen Blick

Schwedens Parlament hat dem Chef der bisherigen rot-rot-grünen Minderheitsregierung, dem Sozialdemokraten Stefan Löfven, das Misstrauen ausgesprochen. Eine neue Regierung ist nicht in Sicht: Seit der Parlamentswahl vom 9. September herrscht eine politische Pattsituation zwischen zwei Blöcken. Die populistischen Schwedendemokraten werden zum Zünglein an der Waage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2018)

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