Weiß-blauer Albtraum für die Genossen

Die SPD schrumpfte in den ersten Hochrechnungen von 20,6 Prozent auf zehn Prozent, das historisch schlechteste Ergebnis in Bayern.
Die SPD schrumpfte in den ersten Hochrechnungen von 20,6 Prozent auf zehn Prozent, das historisch schlechteste Ergebnis in Bayern.(c) REUTERS (MICHAELA REHLE)
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Endlich schwächelt die CSU. So wie es sich die SPD gewünscht hat. Doch es nützt nichts. Stattdessen fährt die Bayern-SPD ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein. Die Krise der Sozialdemokratie setzt sich fort.

Bayern ist für die SPD ein hartes Pflaster. Und das schon seit langer Zeit. Zwar hat vor genau 100 Jahren ein roter Revolutionär, Kurt Eisner, den Freistaat gegründet. Und noch im Jahr 1957 regierte mit Wilhelm Hoegner ein Sozialdemokrat in Bayern. Doch seither ist die SPD in die Opposition verbannt. Die Ansprüche der SPD sind also niedrig im Freistaat. Das Ergebnis vom Sonntag ist trotzdem ein Albtraum.

Die SPD schrumpfte von 20,6 auf 9,5 Prozent. Sie fuhr damit ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein und rutschte von Platz zwei hinter Grüne, Freie Wähler und AfD und in Richtung Bedeutungslosigkeit ab. Dabei schwächelte diesmal die einst übermächtige CSU. So wie es sich die SPD lange gewünscht hat. Doch es nutzt ihr überhaupt nichts, sondern der AfD und den Grünen. Letztere wildern im linksliberalen Milieu der SPD. Auch die Linkspartei legte leicht zu, verpasste aber mit 2,9 Prozent den Einzug in den Landtag deutlich. Ein kleines Glück im Unglück war für die Sozialdemokraten, dass die Verluste der mächtigeren CSU von der roten Malaise in Bayern ein wenig ablenkten.

Im Wahlkampf setzten die Genossen neben kostenfreier Kinderbetreuung auch auf das Thema leistbares Wohnen, das viele Bayern umtreibt. Das Problem ist bloß, dass die Wohnungsnot dort am größten ist, wo die SPD regiert, nämlich in der teuren Hauptstadt München.

"Schwache Performance" in Bayern

Spitzenkandidatin Natascha Kohnen war konsterniert: „Es tut weh, es tut unglaublich weh“, sagte sie am Sonntagabend. Die 50-jährige Biologin gab im Wahlkampf den fleischgewordenen Gegenentwurf zum Typus des breitbeinigen CSU-Bierzeltpolitikers. Sie setzte eher auf die leisen Töne. Kohnen war nicht unbeliebt, aber auch zu brav, wie ihre Kritiker meinten.
Der Hauptgrund für die roten Verluste in Bayern sitzt aber in Berlin. Da waren sich die Genossen in Bayern einig. Selbst SPD-Chefin Andrea Nahles räumte ein, die „schlechte Performance“ der schwarz-roten Koalition im Bund sei eine Ursache für den Absturz.

Die deutsche Sozialdemokratie durchlebt die schwerste Krise ihrer Nachkriegsgeschichte. In der Großen Koalition stolpert sie Seit' an Seit' mit CDU und CSU von Krise zu Krise. In den bundesweiten Umfragen lag die SPD zuletzt nur noch gleichauf mit AfD und Grünen oder fiel sogar hinter die beiden Konkurrenzparteien zurück. Vier der letzten fünf Landtagswahlen gingen teils krachend verloren. Die Bundestagswahl sowieso. Die Partei ist im freien Fall.

Im Süden Deutschlands läuft es besonders schlecht. Hier haben die Grünen der SPD den Rang abgelaufen. Nicht nur in Bayern. Im benachbarten Baden-Württemberg regiert mit Winfried Kretschmann ein grüner Ministerpräsident, in Hessen, wo am 28.?Oktober gewählt wird, sind die Grünen Juniorpartner.

Am 8. November feiert dann der Freistaat Bayern seinen 100. Geburtstag. Die SPD beantragte deshalb einen einmaligen Feiertag. Die CSU lehnte ab. Vielleicht sind Bayerns Sozialdemokraten darüber rückblickend gar nicht so böse. Denn nach Feiern dürfte ihnen eher nicht zumute sein. (strei)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2018)

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