Der Präsident agiert in der Causa Khashoggi defensiv, die Opposition ortet Interessenkonflikte.
New York. Wenn Donald Trump über die Affäre Khashoggi spricht, liegt etwas in der Luft, das man so vom US-Präsidenten kaum kennt. Er verhält sich zurückhaltend, äußert Zweifel in alle Richtungen, erscheint besonders vorsichtig. Ausgerechnet jener Politiker, der sich sonst kein Blatt vor den Mund nimmt, denkt länger nach, bevor er loslegt. Klar ist: Eine Krise mit Saudiarabien ist so ziemlich das Letzte, was die USA und ihr Präsident momentan brauchen können.
Zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass der Journalist Jamal Khashoggi am 2. Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul von einem eigens aus Riad eingeflogenen Killerkommando getötet wurde. Türkische Tonaufnahmen sollen die Folter und anschließende Ermordung des Regimekritikers beweisen. Unklar ist, ob Ankara das Tonband mit Washington geteilt hat. Darauf angesprochen, hielt Trump kurz inne, ehe er antwortete: „Ich bin nicht sicher, ob es existiert, wahrscheinlich tut es das. Womöglich tut es das.“
Harte Sanktionen gefordert
Knapp drei Wochen vor den Kongresswahlen bringt die Affäre den Ex-Immobilientycoon in die Zwickmühle. Selbst viele seiner Parteikollegen fordern harte Sanktionen gegen die arabische Großmacht, zumal mehrere der mutmaßlichen Mörder Khashoggis enge Verbindungen zu Kronprinz Mohammed bin Salman haben sollen. Es scheint nahezu ausgeschlossen, dass die Königsfamilie nichts mit dem Verschwinden Khashoggis zu tun hat. Einen Grund für Trumps Zurückhaltung will die politische Opposition geortet haben: finanzielle Interessenkonflikte.
So forderte eine Gruppe demokratischer Senatoren in einem offenen Brief die Offenlegung jeglicher finanzieller Verbindungen Trumps mit Saudiarabien. Tatsächlich pflegt Trumps Schwiegersohn Jared Kushner einen besonders guten Draht nach Riad, und auch Trump selbst rühmte sich vor Amtsantritt mehrmals mit seinen Geschäftsbeziehungen. „Sie kaufen Apartments von mir, sie geben 40 Millionen Dollar, 50 Millionen Dollar aus“, sagte der damalige Unternehmer 2015. „Ich mag sie sehr.“
Freilich: Der Milliardär Trump hat die Führung seines Immobilienkonglomerats offiziell seinen Söhnen übertragen, und es darf bezweifelt werden, dass die Familie finanziell auf saudiarabische Unterstützung angewiesen ist. Doch kann über die genauen Umstände nur gemutmaßt werden, weil sich der Präsident nach wie vor weigert, Steuererklärungen für sich und sein Imperium offenzulegen. Darauf stürzt sich nun die Opposition.
Öl gegen Waffenlieferungen
In jedem Fall bedeutet die Causa Khashoggi für das Weiße Haus ein geopolitisches Dilemma. Sollte sich herausstellen, dass bin Salman persönlich dessen Ermordung beauftragt hat, wird Trump nichts anderes übrig bleiben, als Sanktionen zu verhängen. Washington kann es sich nicht leisten, das Königreich als strategischen Partner zu verlieren. Wie wichtig Saudiarabien für die USA ist, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass Trumps erste Auslandsreise nach Amtsantritt ihn ausgerechnet nach Riad führte.
Dabei sind die oftmals angesprochenen Waffenexporte nur ein Stück des Puzzles. Demnach löste Saudiarabien laut der Datenbank des Stockholm International Peace Research Institute 2017 Indien als wichtigsten Abnehmer von US-Waffen ab. Auch als Öllieferanten brauchen die USA das repressive Königreich. Erst kürzlich garantierte bin Salman, etwaige Engpässe wegen geringerer Lieferungen aus dem Iran wettzumachen. Steigt der Ölpreis, zeigt sich das an den Zapfsäulen in den USA. Höhere Benzinkosten unmittelbar vor den Wahlen könnten Trumps Republikaner entscheidende Stimmen kosten.
Am wichtigsten ist Saudiarabien für die USA indes als regionales Gegengewicht zum Erzfeind Iran. Man werde Riad nicht den Rücken zuwenden, erklärte Trump. Er hoffe, dass „der König und der Kronprinz nichts wussten, sagte er. Und wenn doch? Gäbe es im Prinzip nur eine gesichtswahrende Option: Ein Abdanken des Kronprinzen, wie es in den USA viele fordern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2018)