Mittelamerika: Ein Flüchtlingstreck auf dem Weg ins „Gelobte Land“

(c) APA/AFP/PEDRO PARDO
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Flucht vor Kriminalität und Korruption: Tausende marschieren durch Mexiko mit dem Ziel USA.

Buenos Aires/Mexico City. Sie lassen sich nicht aufhalten. Nicht von den Drohungen des US-Präsidenten, Donald Trump, der Truppen an die Südgrenze schicken und die Wirtschaftshilfe für Guatemala und Honduras beschneiden will. Nicht vom mexikanischen Außenminister, Luis Videgaray, der verkündet, sämtliche Personen ohne gültige Papiere würden abgeschoben. Und nicht von den bürokratischen Hindernissen der mexikanischen Behörden.

Am Wochenende campierten 2000 Menschen auf dem zentralen Platz der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Hidalgo, aber am Montagmorgen war diese Gruppe auf 5000 angewachsen. Offenbar haben viele Migranten im Schutze der Nacht den Grenzfluss Suchiate durchquert.

Die Karawane nahm Kurs auf die südmexikanische Stadt Tapachula. Es ist eine anderthalb Kilometer lange Prozession von Menschen, die kaum mehr besitzen als ihren Glauben an einen gerechten Gott. Junge Familien, Kleinkinder, unbegleitete Jugendliche sind unterwegs auf diesem Treck in das „Gelobte Land“ im Norden, angelockt vom Wirtschaftsboom.

Mexikanische Beamte versuchten, die Marschierer davon zu überzeugen, sich registrieren zu lassen. Ohne Flüchtlingsstatus könnten sie unmöglich die 2000 Kilometer durch Mexiko bewältigen. Doch die meisten Migranten waren dazu nicht bereit, weil sie fürchteten, die Registrierung sei der erste Schritt zur Abschiebung.

Zusammen gegen Gangster

Am Sonntagnachmittag versuchte Donald Trump, den Treck via Twitter zu bremsen. Er schrieb, dass Menschen, die nicht in Mexiko um Asyl angesucht hätten, keinesfalls in die USA gelangen könnten. Danach widersprachen mexikanische Behörden dieser Darstellung des US-Präsidenten. Ein Asylantrag sei nicht zwingend erforderlich.

Seit Jahren organisieren sich Mittelamerikaner, die eine bessere Zukunft im reichen Norden erhoffen, in Gruppen, um die gefährliche Wanderschaft zu bewältigen. Die Menschen aus den ausgebluteten und von Korruption wie Gewalt verheerten Kleinstaaten El Salvador, Guatemala und Honduras wollen sich so gegen den Zugriff mexikanischer Gangster und korrupter Polizisten schützen. Solche Märsche, die oft auch von Menschenrechtsgruppen begleitet werden, umfassen gewöhnlich ein paar Hundert Menschen und erregen wenig Aufsehen. Doch das gilt nicht für den aktuellen Marsch. Er ist deutlich größer, und er startete in Honduras' zweitgrößter Stadt, San Pedro Sula, zu einem speziellen Zeitpunkt.

Die Migranten durchqueren ein Mexiko in der Übergangsphase zwischen der abgewählten korruptionsbelasteten Regierung von Enrique Peña Nieto und der neuen Staatsführung des Linken Andrés Manuel López Obrador, die nach einem deutlichen Wahlsieg im Juli nun Anfang Dezember die Geschicke des 125-Millionen-Landes übernehmen wird. Die Massenwanderung startete zudem drei Wochen vor den Parlamentswahlen in den USA, die Trump wie kein US-Präsident vor ihm zur Schicksalswahl für seine Regierung ausgerufen hat. Darum reagierte Trump ausgesprochen heftig auf die Nachrichten aus Zentralamerika und verstieg sich sogar zur Drohung, die soeben ausgehandelte neue Version des nordamerikanischen Handelsabkommens platzen zu lassen, falls Mexiko den Treck nicht stoppt.

Zwickmühle für Mexiko

Die Behörden in Guatemala und Honduras vermuten, dass hinter der Organisation des Trecks Mitarbeiter des Ex-Präsidenten Manuel Zelaya stehen, der Honduras 2008 in das von Venezuela orchestrierte Wirtschaftsbündnis Alba brachte und der wohl auch darum 2009 weggeputscht wurde. Ein ehemaliger Abgeordneter von Zelayas Partei ist Ende der Vorwoche von Guatemalas Behörden festgesetzt worden. Er soll den Exodus organisiert haben.

Für Mexikos Behörden ist das Migrationsthema eine Zwickmühle. Die mexikanischen Gesetze erkennen das Recht auf Migration und freien Transit an, und tatsächlich hat der Interimsgouverneur des südlichen Grenzstaats Chiapas versichert, den Migranten freies Geleit zu geben. Aber Außenminister Videgaray weiß um das Dilemma. Wenn Mexiko den Zentralamerikanern Asyl gewähren und sie in Lagern unterbringen sollte, würde es einen noch größeren Zulauf aus den hoffnungslosen Kleinstaaten Mittelamerikas auslösen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2018)

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