Die Tötung des regimekritischen Journalisten war Tage im Voraus geplant, sagt der türkische Präsident. Beweise blieb Erdogan schuldig. Die saudische Führung gelobt, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Nichts Neues im Fall Khashoggi, könnte man sagen - zumindest auf der Beweisfront. Was Statements betrifft, gab es auch am Dienstag wieder einiges an Bekundungen und Vorwürfen. Allen voran vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Seine Rede vor dem türkischen Parlament war mit Spannung erwartet worden. Wird er Beweise dafür vorlegen, dass der saudische Regimekritiker Jamal Khashoggi Anfang Oktober im saudiarabischen Konsulat ermordet worden ist?
Doch Erdogan blieb erneut Beweise schuldig, sprach aber von einem "Mordkomplott". Saudiarabien habe den Journalisten "grausam getötet". Es gebe starke Anzeichen dafür, dass der Mord an Jamal Khashoggi Tage im Voraus geplant gewesen sei, sagte Erdogan am Dienstag im türkischen Parlament. Bahnbrechend neue Details gab Erdogan allerdings wider Erwarten nicht preis. Er hatte die Erklärung am Sonntag selbst angekündigt und gesagt, er werde "ins Detail" gehen.
Der Präsident begrüßte zwar die von Saudiarabien vermeldeten 18 Festnahmen in dem Fall. Sie reichen ihm jedoch nicht aus. Erdogan sprach von einem "politischem Mord". Mit der Festnahme von "ein paar Geheimdienstlern" lasse man sich deshalb nicht abspeisen. Er wolle Aufklärung darüber, "von wem die Befehle" kamen. Ein Satz, der den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman unter Druck setzen wird. Zudem will die Türkei wissen, wo Khashoggis Leiche sei.
Erdogan betonte, niemand dürfe davon ausgehen, dass die Ermittlungen in dem Fall abgeschlossen werden könnten, ohne dass alle Fragen beantwortet worden seien. Der türkische Präsident will zudem die Auslieferung der saudischen Verdächtigen erwirken. Ihnen soll in Istanbul der Prozess gemacht werden.
Türkischer Präsident bestätigt Khashoggi-Double
Erdogan zeichnete in seiner Rede auch den bisherigen Ermittlungsstand nach. Er lieferte eine minutiöse Darstellung der Tat aus türkischer Sicht. Demnach sollen bereits am Tag vor dem Verschwinden des Mannes mehrere Männer aus Saudiarabien angereist sein. Erdogan sprach von "drei Teams". Eines habe vor dem Mord im Belgrader Wald und im Bezirk Yalova außerhalb Istanbuls "Nachforschungen angestellt". Am Tag des Mordes seien sie dann zwischen 9.50 Uhr und 11 Uhr Ortszeit unabhängig voneinander ins Konsulat gekommen, um sich dort zu treffen. Später tauchte einer der angereisten Saudis in der Kleidung Khashoggis und mit falschem Bart wieder auf und reiste nach Riad. Das Double sollte die Ermittler möglicherweise auf eine falsche Fährte bringen.
Bisher hatten die türkischen Behörden noch keine Stellungnahme zum offiziellen Stand der Ermittlungen abgegeben. Seit dem Verschwinden des Mannes hatten Regierungsmitglieder und Angehörige der Sicherheitskräfte anonym Informationen an türkische und US-Medien weitergegeben, ohne jedoch Beweise vorzulegen. Auch woher die Informationen stammten, blieb unklar.
Riad gibt sich eifrig
Die saudiarabische Regierung hat zugesichert, alle Verantwortlichen für die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei sei es unerheblich, "wer auch immer sie sein mögen", hieß es in einer Erklärung des Kabinetts, die am Dienstag von der staatlichen Nachrichtenagentur SPA verbreitet wurde. Das Königreich habe Maßnahmen ergriffen, um "die Wahrheit aufzudecken" und die Verantwortlichen zu bestrafen, hieß es weiter.
Saudiarabien hatte am Samstag unter internationalem Druck zugegeben, dass der Regierungskritiker am 2. Oktober im saudiarabischen Konsulat in Istanbul bei einer "Schlägerei" getötet worden sei. Weltweit stößt diese Darstellung aber auf Skepsis, nachdem Riad wochenlang versichert hatte, dass Khashoggi das Konsulat lebend verlassen habe.
(APA/red.)