Der ultrarechte Ex-Offizier Jair Bolsonaro wird neuer Staatschef des wichtigen südamerikanischen Landes. Er will zahlreiche Militärs in Ministerien und Machtstrukturen hieven.
Buenos Aires/Brasília. „Viel Militär“ werde er an die Esplanada, die Ministeriumsmeile von Brasília, mitnehmen. Das hat der am Sonntag mit 55 Prozent gewählte Ex-Hauptmann Jair Bolsonaro angekündigt. Und daran scheint er festzuhalten. Zu seinem Vizepräsidenten hat Bolsonaro den erst im Frühjahr aus dem Dienst ausgeschiedenen General Hamilton Mourao gemacht. Die Uniformierten wirkten aktiv an der Wahlkampagne mit, und es ist zu erwarten, dass mehrere Ex-Generäle die Machtstruktur aufbauen werden. Die Wiederkehr der Militärs an die Schalthebel der Macht ist für viele Brasilianer und weite Teile Südamerikas ein besorgniserregender Trend.
Während Bolsonaros Anhänger ihren Sieg feierten, machte sich bei seinen Gegnern Enttäuschung breit. Der Kandidat der linken Arbeiterpartei, Fernando Haddad, war bei der Wahl am Sonntag nur auf 45 Prozent gekommen.
Auf Kongress angewiesen
Bolsonaro kündigte an, die derzeit 29 Ministerien auf höchstens 15 zu reduzieren. Das mag die Abläufe im Kabinett vereinfachen. Allerdings gibt es Fragezeichen im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit dem Kongress. Dort besitzt Bolsonaros Partei, die PSL, nur etwa zehn Prozent der Sitze. In 27 Jahren als Abgeordneter hat er nicht mehr als drei Gesetzesinitiativen durch den Kongress gebracht. Die PSL, in die er erst am 5. Jänner eingetreten ist, ist die neunte Gruppierung, der sich der stets streitbare Ultrakonservative in seiner Zeit als Abgeordneter angeschlossen hat.
Um die massiven Veränderungen zu realisieren, die er etwa im Sozialsystem plant, muss Bolsonaro Allianzen mit vielen anderen der etwa 30 Gruppierungen im Kongress suchen. In den zurückliegenden Wochen signalisierten ihm die wichtigsten parteiübergreifenden Allianzen im Kongress ihre Unterstützung. In Brasilien heißt diese breite Front aus Christen, Landwirten und Militärs BBB, das steht – frei übersetzt – für Bibel, Büffel und Bajonette.
Der Law-and-Order-Apologet dürfte die Sicherheitskräfte stärken, das straffähige Alter von 18 auf 16 Jahre senken und den Zugang der Bevölkerung zu Waffen erleichtern. Bolsonaro präsentiert sich als gläubiger Katholik. Er weiß wichtige Verbündete in den reichen und betont konservativen evangelikalen Kirchen hinter sich. Er sieht sich als „ein glühender Gegner der Gender-Ideologie“. In seinem Regierungsprogramm steht nicht ein Wort über die Rechte von Homosexuellen. Er lehnt Abtreibung ebenso ab wie Entkriminalisierung von Drogen.
Erhebliche Bedenken im In-und Ausland erregten seine Ankündigungen über die künftige Politik im Amazonas-Becken und andere Großprojekte. „In wirtschaftlicher Hinsicht erwarten wir eine Vertiefung der liberalen Politik von Michel Temer“, sagt Leda Paulani, Ökonomieprofessorin an der Universität von San Pablo. Sie geht davon aus, dass die Maßnahmen „deutlich zulasten der Arbeiter und der Ärmsten“ gehen dürften.
Vor einigen Monaten holte sich Bolsonaro den früheren Banker Paulo Guedes an die Seite, der an der Universität von Chicago unter Milton Friedman studiert hatte. Mit dieser Personalie sicherte er sich ein gewisses Vertrauen auf den heimischen Finanzmärkten und auch der Wall Street. Allerdings gibt es nicht wenige Beobachter, die darauf hinweisen, dass Bolsonaro in der Vergangenheit – wie die meisten brasilianischen Militärs – einen starken Einfluss des Staates in der Wirtschaft gefordert hat. Zudem ist zu erwarten, dass sich Brasiliens Handelspolitik unter Bolsonaro deutlich den USA zuwenden dürfte.
Probleme mit Nachbarn
In der Region könnte es zu Spannungen mit dem gewählten linken mexikanischen Präsidenten, Andrés Manuel López Obrador, kommen, ebenso mit den Regierungen der Nachbarstaaten Bolivien und vor allem Venezuela. Eine Woche vor der Wahl verstieg sich Bolsonaro in einer seiner Internetbotschaften sogar zu dem Satz „Wir ziehen in den Krieg mit Venezuela“. Davon distanzierte er sich am Donnerstag jedoch. In jedem Fall bedeutet das Wahlergebnis in dem größten Land der Hemisphäre einen deutlichen Ruck nach rechts für die gesamte Region.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2018)