Die Republikaner verteidigen ihre Mehrheit in beiden Kongresskammern. Beide Seiten stilisieren die Halbzeitwahl am Dienstag zur wichtigsten seit Langem. Die "blaue Welle" der Demokraten ist allerdings abgeebbt.
New York. Der möglicherweise schmutzigste Wahlkampf der US-Geschichte ist beinahe vorbei. Am Dienstag bekommen die Parteien die Quittung ausgestellt. Die mächtigste Nation bestimmt einen neuen Kongress, und auch wenn der Präsident selbst nicht zur Wahl steht, geht es für viele ausschließlich um eine Person: Donald Trump. Das Ergebnis wird die nächsten zwei Jahre seiner Präsidentschaft entscheidend beeinflussen. Dem Mann im Weißen Haus werden entweder die Flügel gestutzt – oder er wird danach erst so richtig abheben.
Es sind die wichtigsten Trophäen, die bei Kongresswahlen zu vergeben sind: Senatorenposten. Alle zwei Jahre wird rund ein Drittel der 100 Sitze in der mächtigeren der beiden Parlamentskammern neu besetzt, am 6. November 2018 sind es 35. Jeder Bundesstaat schickt zwei Senatoren, die normalerweise nicht im selben Jahr zur Wahl stehen (Rücktritte, Todesfälle sind da dann die Ausnahme). Mit einer sechsjährigen Amtszeit und dem Votum eines ganzen Bundesstaates ausgestattet, bilden die Senatoren die erste Liga der US-Politik. Ein Überblick der interessantesten Rennen. APA/AFP/BRENDAN SMIALOWSKI Für die Demokraten wird es schwer, den Senat zurückzuerobern, obwohl der Vorsprung der Republikaner mit 51 zu 49 Sitzen knapp ist. Denn diesmal ist die Zusammensetzung der zu wählenden Senatssitze für die Demokraten besonders ungünstig - zur Erinnerung: nur ein Drittel der Senatssitze stehen alle zwei Jahre zur Wahl. Der Grund dafür liegt darin, dass die Republikaner jetzt schon 42 Senatorensitze sicher hat, egal wie die Zwischenwahl ausgeht. Die Demokraten müssen nämlich zehn Sitze in Staaten verteidigen, die bei der Präsidentenwahl 2016 mehrheitlich für Trump gestimmt hatten. In fünf dieser Staaten hatte der Wahlsieger sogar einen Vorsprung in zweistelliger Prozenthöhe. Der Kongress wird übrigrens alle zwei Jahre komplett neu gewählt, hier hat jeder Bundesstaat entsprechend seiner Größe auch mehr oder weniger Abgeordnete (Alaska zum Beispiel nur einen). (c) APA Für die Demokraten nichts zu holen, gibt es jedenfalls in Utah. Dort bahnt sich aber ein bemerkenswertes Polit-Comeback an. Normalerweise ist es ja umgekehrt: Zuerst Senator, dann Präsidentschaftskandidat. Der im Jahr 2012 Amtsinhaber Barack Obama unterlegene republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney (71) startet mit einer Bewerbung um den Senatssitz von Utah ein politisches Comeback. Die Wahl ist reine Formsache, schließlich ist Utah ein "tiefroter", also tief-republikanischer Staat, und Romney gehört der dort dominierenden Religionsgemeinschaft der Mormonen an. Entsprechend ist Romneys demokratische Kontrahentin Jenny Wilson in den Umfragen chancenlos. (c) ERIC THAYER US-Präsident Donald Trump dürfte das Rennen dennoch mit gemischten Gefühlen verfolgen, gilt Romney doch als Exponent jenes Parteiflügels, der sich mit dem rechtspopulistischen Kurs des Präsidenten nicht anfreunden kann. So mancher Beobachter sieht Romney schon in die Fußstapfen des kürzlich verstorbenen Senators von Arizona, John McCain, treten, der Trump das Leben schwer gemacht hatte. Allerdings hat Romney seine Kritik an Trump, den er vor der Präsidentenwahl "Hochstapler" und "Betrüger" genannt hatte, zurückgefahren. Heftig spekuliert wird, dass der frühere Gouverneur von Massachusetts den Senat als Sprungbrett für eine neuerliche Präsidentschaftskandidatur nutzen könnte. Im Bild: Mitt Romney bei seinem Wahlkampf im Jahr 2012 mit der damaligen Gouverneurin von South Carolina, Nikki Haley - derzeit noch UN-Botschafterin der USA. imago/ZUMA Press Aber im republikanischen Kernland Texas, gibt es durchaus Chancen für die Demokraten auf einen der beiden Senatssitze. "Das ist real, und es ist eine ernsthafte Bedrohung", schlug kürzlich der republikanische Senator von Texas, John Cornyn, gegenüber dem US-Portal "Politico" Alarm. Er selbst muss sich keine Sorgen machen, aber seinem Kollegen Ted Cruz (47, im Bild rechts) könnte es bei der Senatswahl in Texas an den politischen Kragen gehen. Cruz liegt in den Umfragen nur knapp vor seinem (hier im Wahlkampf zu sehenden) demokratischen Herausforderer Beto O'Rourke (46, im Bild links), der im zweitgrößten US-Staat von einem Wahlkampfauftritt zum nächsten eilt und auf Handyvideos statt Fernsehwerbung setzt. O'Rourke kommt entgegen, dass Cruz mit seinen erzkonservativen Positionen stark polarisiert. Zudem ist der Cowboy-Staat aufgrund von demografischen Veränderungen in den vergangenen Jahren sukzessive zum Hoffnungsterritorium für die Demokraten geworden. REUTERS Gelingt O'Rourke (im Bild) die Sensation, könnte dies auch die Karten für die Präsidentenwahl 2020 neu mischen, weil Texas mit seinen 34 Wahlmännerstimmen vom sicheren Republikanerstaat zum begehrten "Swing State" werden könnte. Wenig überraschend wird O'Rourke, der derzeit die Grenzstadt El Paso im Repräsentantenhaus vertritt, als möglicher künftiger Präsidentschaftskandidat der Demokraten gehandelt und mit Barack Obama verglichen. (c) APA/AFP/LOREN ELLIOTT (LOREN ELLIOTT) Der konservative Südstaat Tennessee galt bisher ebenfalls als sicheres Territorium für die Republikaner, vor zwei Jahren setzte sich Donald Trump bei der Präsidentenwahl mit 60 zu 34 Prozent gegen Hillary Clinton durch. Doch während der republikanische Senator Bob Corker auf die Bewerbung für eine dritte Amtszeit verzichtet hat, bieten die Demokraten mit dem früheren Gouverneur Phil Bredesen (74, im Bild) ihr regionales Schwergewicht auf. Selbst Corker hatte viel Lob für Bredesen übrig und bezeichnete ihn als "attraktiven" Kandidaten, der lagerübergreifend wirke. Der Demokrat bekräftigte seinen "crossover appeal", indem er sich anders als die überwältigende Mehrheit seiner Parteikollegen hinter den wegen Missbrauchsvorwürfen umstrittenen konservativen Höchstrichterkandidaten Brett Kavanaugh stellte. (c) REUTERS (SHARON BERNSTEIN) Die republikanische Kandidatin Marsha Blackburn (66, im Bild mit US-Präsident Trump) gilt hingegen als erzkonservative Hardlinerin und Abtreibungsgegnerin, die Kompromisse mit den Demokraten ablehnt und sich damit brüstet, eine Waffe in ihrer Handtasche zu tragen. Blackburns Politik hat jüngst auch die erfolgreichste Country-Sängerin der USA, Taylor Swift, dazu bewogen, ihre bisherige politische Zurückhaltung aufzugeben und sich auf die Seite der Demokraten zu schlagen. In den Umfragen liegen Bredesen und Blackburn Kopf an Kopf. Der letzte demokratische Erfolg bei einer Senatswahl in Tennessee liegt 28 Jahre zurück und geht auf das Konto des späteren US-Vizepräsidenten Al Gore. APA/AFP/MANDEL NGAN In West Virginia hat Donald Trump vor zwei Jahren mit 68 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis aller 50 US-Staaten erzielt. Trotzdem hat der demokratische Senator Joe Manchin (71, im Bild) gute Chancen, für weitere sechs Jahre im Amt bleiben zu dürfen. Der frühere Gouverneur des Staates gilt als "Rechtsaußen" der Demokraten im Senat. Als einziger oppositioneller Senator votierte er für die Bestätigung des umstrittenen Höchstrichterkandidaten Brett Kavanaugh. (c) APA/AFP/MICHAEL MATHES (MICHAEL MATHES) Obwohl sich Trump mit zahlreichen Wahlkampfauftritten für den republikanischen Kandidaten Patrick Morrissey (50, im Bild re., mit Trump) ins Zeug legt, liegt Manchin in den Umfragen im hohen einstelligen Prozentbereich vorne. Sollte er dennoch verlieren, wäre wohl jede Hoffnung der Demokraten dahin, die Kontrolle im Senat zu übernehmen. APA/AFP/MANDEL NGAN Senioren-WGs a la Golden Girls, Hurrikans und enge Wahlausgänge: Dafür ist der südlichste US-Staat weltweit bekannt. Und auch bei der diesjährigen Senatswahl könnte es ein Herzschlagfinish geben, liegen der demokratische Senator Bill Nelson (76, im Bild) und sein republikanischer Herausforderer Rick Scott (65) in den Umfragen doch nur Zehntelprozentpunkte auseinander. Dabei hätte der Startvorteil für Nelson nicht größer sein können, sitzt er doch schon seit 18 Jahren im Senat. REUTERS Sein Gegner Rick Scott bringt aber eine prall gefüllte Wahlkampfkassa mit und ist der amtierende Gouverneur des Sunshine State. Als solcher konnte sich Scott gerade erst als Krisenmanager während des verheerenden Hurrikans Michael hervortun, im Bild (2.v.li) mit Trump und dessen Frau Melania (re.). Der Hurrican könnte die Wahl aber auch direkt beeinflussen, sind doch zwei Wochen vor dem Urnengang immer noch zehntausende Haushalte ohne Strom, wobei das von der Naturkatastrophe betroffene Gebiet bisher mehrheitlich republikanisch wählte. REUTERS Im US-Südstaat regiert am 6. November das Gesetz des Dschungels, zumindest bei einer der beiden dort stattfindenden Senatswahlen. Weil der erst vor zwei Jahren gewählte Republikaner Thad Cochran im April überraschend zurückgetreten war, konnten keine Vorwahlen mehr abgehalten werden. Daher stehen nun alle Kandidaten - ohne Parteibezeichnung - gesammelt auf dem Stimmzettel, was im US-Politsprech "Jungle Primary" genannt wird. Am 27. November findet dann eine Stichwahl zwischen den beiden stärksten Bewerbern statt. In den Umfragen führt der Demokrat Mike Espy, der einen Platz in der Stichwahl sicher haben sollte. Im Bild eine Wahlkampfveranstaltung der Republikaner beim Singen der US-Nationalhymne. REUTERS Mike Espys Siegeschancen hängen davon ab, welcher Republikaner es auf den zweiten Platz schafft. Der Rechtsaußen Chris McDaniel liegt im direkten Vergleich deutlich hinter Espy, während die gemäßigtere Cindy Hyde-Smith (im Bild), die den Senatssitz derzeit interimistisch innehat, wohl siegreich sein dürfte. Große landesweite Bedeutung könnte die Stichwahl haben, wenn die Demokraten am Abend des 6. November bei 50 Sitzen im Senat liegen. In diesem Fall würde sich nämlich erst am 27. November entscheiden, welche Partei künftig in der wichtigeren Parlamentskammer das Sagen haben wird. (c) REUTERS (JONATHAN ERNST) Für die Demokraten wirft sich auch Ex-Präsident Barack Obama ins Zeug - sozusagen als Anti-Trump. Obama hat in seiner Amtszeit selbst erlebt, was es heißt keine Mehrheit im Repräsentantenhaus und ihm Senat zu haben. Bei seiner zweiten Zwischenwahl 2014 verlor er den Senat an die Oppositionspartei. Das Repräsentantenhaus war seit seiner ersten Zwischenwahl 2010 in republikanischer hand gewesen. In seinen letzten beiden Amtsjahren wurde Obama so also zur "lame duck", zur "lahmen Ente", und verlegte sich auf die umstrittene Strategie, den Kongress mittels Dekreten zu umgehen. REUTERS In diesen Staaten geht es für die Demokraten um die Wurst Aktuell halten Trumps Republikaner in beiden Kammern der Legislative die Mehrheit. Dies hat dazu beigetragen, dass der Präsident bisher geradezu ohne Rücksicht auf Verluste regieren konnte. Der frühere Immobilientycoon musste keine Brücken bauen, um Vorhaben wie seine Steuerreform durchzubringen. Er brauchte bloß seine Partei hinter sich zu vereinen, um im Senat und im Abgeordnetenhaus die nötige Unterstützung zu bekommen. Gewinnen die Demokraten die Mehrheit in einer oder beiden Kammern, wird Trump seine Taktik ändern müssen, sofern er entscheidende Akzente setzen will.
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