Der letzte der Generäle geht: Verteidigungsminister James Mattis kündigte seinen Rücktritt an. Die Differenzen mit dem Präsidenten waren am Ende zu groß. Die Trump-Regierung steuerte auf eine Budgetkrise und einen nationalen Notstand zu.
Wien/Washington. Im Weißen Haus geht das Jahr so zu Ende, wie es nach den Enthüllungen in Michael Wolffs Buch „Feuer und Zorn“ begonnen hat: mit großem Drama und Chaos. Ursprünglich wollte der Präsident am Freitag in den zweiwöchigen Weihnachtsurlaub in sein „Winter White House“ in Palm Beach in Florida aufbrechen. Doch der Aufruhr um den Rücktritt des Verteidigungsministers James Mattis und die Wirren um den Shutdown und die Abwendung einer Budgetkrise der Regierung hielten Donald Trump vorerst in Washington fest. Bis in die Nacht auf Samstag rang Trump mit Republikanern und Demokraten im Kongress um einen Kompromiss im Budgetstreit.
Der erste Akt im Showdown in der US-Hauptstadt ging am Donnerstagabend über die Bühne, als Mattis im Weißen Haus vorsprach, um den Präsidenten doch noch von der Entscheidung abzubringen, die US-Truppen aus Syrien – und wie sich später herausstellen sollte – auch zum Teil aus Afghanistan abzuziehen. Doch der Pentagon-Chef drang nicht mehr durch. Der 68-Jährige hatte sein Rücktrittsschreiben bereits aufgesetzt, und noch vor seiner Rückkehr ins Ministerium ordnete er an, die Kopien im Pentagon zu verteilen.
Rücktritt mit Ankündigung
Darin zeigt er sich als Patriot im Dienst am Vaterland, der allerdings wegen der zuletzt grundlegenden Differenzen mit Ende Februar aus seinem Amt scheidet. Der Minister übt indirekt Kritik am Präsidenten, indem er die Bündnistreue zu den Nato-Alliierten beschwört und Respekt im Umgang miteinander anmahnt. Anfangs stand „Mad Dog“ Mattis hoch im Kurs im Weißen Haus. Seit seinen Tagen auf einem Militärinternat hegt Trump ein Faible für Generäle im Stil vermeintlicher Haudegen wie Mattis und Kelly.
Regelmäßig speiste der Verteidigungsminister – bei Burger und Cola light – im Weißen Haus mit dem Präsidenten, um ihm die geostrategische Lage zu erklären; warum etwa in Nordkorea ein Dritter Weltkrieg droht und US-Truppen in Südkorea stationiert sind. In Bob Woodwards Buch „Furcht“ attestiert er Trump enerviert das Verständnis eines „Fünft- oder Sechstklässlers“. Allmählich verlor er jedoch das Vertrauen Trumps, der ihn via Twitter ungeprüft als Demokraten punzierte und über einen möglichen Rückzug des Pentagon-Chefs spekulierte. Zugleich kolportierten US-Medien Gerüchte über eine Demissionierung von Mattis. Es war mithin ein Rücktritt mit Ankündigung.
Das Ende der „Erwachsenen“
Zusammen mit John Kelly und Außenminister Rex Tillerson galt James Mattis als einer der wenigen „Grown-ups“ im Weißen Haus, als einer der Erwachsenen – ein Vollprofi, der bestrebt war, das Schlimmste zu verhüten, die Außen- und Sicherheitspolitik der USA auf Kurs zu halten, die Kontakte zu den Alliierten zu pflegen und vor einer Annäherung an Wladimir Putin oder Nordkoreas Diktator Kim Jong-un zu warnen.
Angesichts der Unberechenbarkeit Trumps gestaltete sich dies indes immer schwieriger, und nach dem Abgang Tillersons Ende März und John Kellys zum Jahresende stand der Verteidigungsminister zunehmend allein auf dem Posten – zumal Außenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton näher am Ohr des Präsidenten sind. Der Abzug aus Syrien und Afghanistan brachte das Fass zum Überlaufen.
Republikanische Senatoren und Außenpolitikveteranen wie Lindsey Graham oder Marco Rubio sind ebenso konsterniert wie die westlichen Alliierten in London, Paris oder Berlin. Wer ist nun noch imstande, die Alleingänge und Extratouren Trumps zu stoppen? Zwei Monate bleiben für die Suche nach einem neuen Verteidigungsminister. Vom ursprünglichen Trump-Team haben nur wenige ausgeharrt – darunter Finanzminister Steven Mnuchin und das Paar Ivanka Trump und Jared Kushner. Wie die Bestellung eines Nachfolgers John Kellys gezeigt hat, sind die Personalreserven mittlerweile rar. Trump handelte sich reihenweise Abfuhren ein – bis er den Budgetdirektor Mick Mulvaney als kommissarischen Stabschef nominierte.
Seine Expertise wäre im Budgetstreit gefragt, der vor der Frist Freitagmitternacht eskalierte. Just vor Weihnachten standen mehrere Ministerien und Nationalparks vor der Schließung, die Kurse an der Wall Street taumelten. Eine Einigung zwischen Senat und Repräsentantenhaus, Republikanern und Demokraten war nicht in Sicht – zumal Trump auf fünf Milliarden Dollar für die Finanzierung der Mauer zu Mexiko pochte. Ohne die Finanzmittel für sein Prestigeprojekt, so ließ er die Demokraten Chuck Schumer und Nancy Pelosi im Weißen Haus wissen, werde er im Namen der nationalen Sicherheit einen Shutdown in Kauf nehmen.
TRUMPS ABSCHUSSLISTE
Michael Flynn. Der Nationale Sicherheitsberater brachte es auf nicht einmal vier Wochen im Weißen Haus. Der Ex-General stürzte über seine Lügen über seine Kontakte mit russischen Diplomaten.
H.R. McMaster. Flynns Nachfolger brachte es auf ein ganzes Jahr im Amt. Donald Trump war von seiner Art genervt. Er feuerte ihn heuer im Frühjahr.
Reince Priebus. Für den Stabschef des Präsidenten war der Job nach einem Tweet aus der Air Force One nach einem halben Jahr zu Ende. Zur gleichen Zeit gingen auch Pressesprecher Sean Spicer und in der Folge nach nur zehn Tagen Kommunikationsdirektor Anthony Scaramucci. Rex Tillerson. Der Außenminister, Exchef des Energiemultis Exxon, erhielt die Entlassung nach 14 Monaten während eines Afrika-Trips.
Jeff Sessions. Für den Justizminister war nach den Kongresswahlen im November Schluss. Er hatte sich Trumps Unmut zugezogen, weil er sich in der Russland-Affäre für befangen erklärt hatte, statt die Untersuchung einzustellen.
John Kelly. Der Stabschef, ein weiterer Ex-General, der militärische Disziplin ins Weiße Haus bringen sollte, gab nach knapp eineinhalb Jahren auf.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2018)