Schwedens Parteien isolieren Rechtspopulisten

Ministerpräsident Stefan Löfven
Ministerpräsident Stefan Löfven REUTERS
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Ende der Blockpolitik: Nach monatelangen Verhandlungen unterstützen zwei bürgerliche Parteien eine rot-grüne Minderheitsregierung.

Stockholm. Über vier Monate wurde ergebnislos verhandelt – Neuwahlen galten als wahrscheinlich. Am Freitag wird Schwedens Parlament wohl doch eine handlungsfähige Regierung wählen. Die bisherige rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Stefan Löfven wird dann, neben der Linkspartei, erstmals blockübergreifend von zwei Parteien aus der bürgerlichen Vierparteienallianz gestützt.

Die bürgerliche Zentrumspartei und die Liberalen mussten dafür ihrem offiziellen Wahlspitzenkandidaten, Ulf Kristersson, von der konservativen Partei Moderaterna und den Christdemokraten einen Korb geben. Denn diese beiden Parteien wollten mithilfe der rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) regieren. Zentrumschefin Annie Lööf bewegte mit ihrem Vorstoß auch die Liberalen zum Frontenwechsel. Sie gilt als vehemente Gegnerin der Rechtspopulisten, mit deren Chef, Jimmie Åkesson, sie immer wieder in Wortgefechte geraten ist.

Lockerere Flüchtlingspolitik

Die Blockpolitik galt stets als heilige Kuh, die nur in Kriegs- und schweren Krisenzeiten geopfert werden sollte: Der Erfolg der einst von Neonazis mitgegründeten SD, die nun Zünglein an der Waage zwischen den klassischen Blöcken ist, hat damit das Parteiengefüge Schwedens endgültig implodieren lassen – allerdings nicht im Sinn Åkessons, der auf indirekte Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung setzte: In den anderen nordischen Ländern ist das schon längst Usus, die Ausländerpolitik wurde verschärft. Schweden versucht nun einen anderen Weg zu gehen.

Das Land, das in Europa gemessen an der Einwohnerzahl die meisten Menschen während der Flüchtlingskrise aufgenommen hat, plant eine weichere Einwanderungspolitik. Zuzugsregeln für Angehörige von Flüchtlingen sollen wieder gelockert werden. „Die kaltherzige Politik, die Kinder von ihren Eltern trennte, wird beendet“, sagte Lööf.

Für Löfven ist der „Umzug“ zweier bürgerlicher Parteien in sein Lager ein strategischer Sieg, den er schon in der Wahlnacht anstrebte. Niemand glaubte damals, dass es wirklich klappen würde. Hätten sich die vier bürgerlichen Parteien auf eine Zusammenarbeit mit der SD geeinigt, hätte den Sozialdemokraten die nahezu ewige Opposition geblüht, wie etwa in Dänemark.

Löfven hat sich seinen Sieg teuer erkaufen müssen. In einem 73-Punkte-Paket musste er Zugeständnisse an die beiden bürgerlichen Parteien machen: Geplant sind nun erhebliche Steuersenkungen, auch das Arbeitsrecht soll gelockert werden. „Die bürgerlichen Parteien sind inhaltlich die klaren Gewinner“, sagt Mats Knutson, Chefkommentator des Senders SVT. Zudem haben die vier bürgerlichen Parteien bereits in der Übergangszeit nach den Wahlen ihr Haushaltsbudget für 2019 mithilfe der SD verabschiedet. Der Gewerkschaftsverband LO kritisiert die Übereinkunft, die Linkspartei will ihre Unterstützung verweigern. Die Grünen begrüßten den Kompromiss: „Wir brauchen eine Regierung, die Rassismus vor der Tür lässt“, sagte deren Sprecherin.

Fraglich bleibt nun, wie die Wähler reagieren werden. Die SD auszugrenzen sei undemokratisch, wurde kritisiert. Man entschärfe sie am besten, indem man ihr die attraktive Außenseiterrolle durch eine Zusammenarbeit nehme.

In Dänemark hat das allerdings nicht funktioniert. Die dortigen Rechtspopulisten haben inzwischen mehr Parlamentssitze als die größte bürgerliche Partei, Venstre, und waren bei der Europawahl gar stärkste Kraft. „Die Schwedendemokraten können eventuell mit einem weiteren Stimmenzuwachs rechnen. Lööf hat ja klargemacht, dass eine generösere Flüchtlingspolitik durchgeführt wird“, so Knutson.

Das könne zu weiterem Unmut führen. Wähleruntersuchungen ergaben dahingegen, dass die fremdenfeindliche SD nun mit knapp unter 20 Prozent an ihre Grenzen stoße: Viel mehr Stimmen als unmittelbar während und kurz nach der Flüchtlingskrise dürfte sie nicht mehr bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2019)

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