Warum Italien so gerne Frankreich angreift

Italiens Vizepremier und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio greift den französischen Präsidenten Macron frontal an.
Italiens Vizepremier und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio greift den französischen Präsidenten Macron frontal an. (c) REUTERS (Max Rossi)
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Rom wirft Paris „Kolonialpolitik in Afrika“ vor und sorgt für Spannungen. Damit will man im EU-Wahlkampf punkten.

Wien/Rom. Tief einatmen, Zähne zusammenbeißen, die Wut hinunterschlucken – und die hitzige Debatte keinesfalls weiter anfachen: Seit der Machtübernahme der Rechtspopulisten in Italien im Juli sei in Paris die Devise ausgegeben worden, Attacken aus Rom zu ignorieren, schreibt „Le Monde“. Kein Geheimnis ist, dass der proeuropäische Staatschef Emmanuel Macron Lieblingsfeind des Lega-Fünf-Sterne-Teams ist. Mit Nonchalance reagiert Paris, wenn der Präsident von italienischen Regierungspolitikern als „Napoleon“, „verrückter Champagnersäufer“ oder „Schwätzer“ beschimpft wird. Jetzt ist der französischen Regierung aber der Kragen geplatzt: Gestern bestellte Europaministerin Nathalie Loiseau Italiens Botschafterin zu sich.

Libysche Interessen

Grund war ein besonders heftiger Schlag in die Magengrube seitens des südlichen Nachbarn: Verantwortlich für die Verarmung Afrikas – und somit der Migrationswelle nach Europa – seien Länder wie Frankreich, „die nie aufgehört haben, Afrika zu kolonialisieren“, schimpfte Italiens Vizepremier Luigi Di Maio am Wochenende. Deshalb sollte die EU Sanktionen gegen Frankreich verhängen. Als Paris protestierte, legte Fünf-Sterne-Anführer Di Maio eifrig nach: Frankreich manipuliere durch den CFA Franc – einer Währung aus der Kolonialzeit – die Wirtschaft von 14 afrikanischen Ländern und verhindere deren wirtschaftliche Entwicklung. Frankreich argumentiert, dass der CFA Währungsstabilität in die Ex-Kolonien gebracht habe.

Dass Paris angesichts der „feindseligen und unbegründeten“ Aussagen merklich schäumte, schien Italiens Regierung nur zu motivieren. So holte am Dienstag Innenminister Matteo Salvini zum nächsten Schlag aus: Frankreich habe kein Interesse daran, Libyen zu stabilisieren, meinte der Lega-Chef. Das sei gegen die Interessen französischer Energiekonzerne. Tatsächlich „konkurrieren“ der französische Energie-Riese Total und sein italienischer Counterpart Eni um die Kontrolle libyscher Ölfelder. Seit Jahren befinden sich auch deshalb die beiden Länder im Machtkampf um Einfluss in Libyen: Zuletzt kam es zwischen Paris und Rom immer wieder zu Reibereien, wer bei Friedensverhandlungen mit dem Bürgerkriegsland diplomatische Oberhand haben solle. Erst im Mai hatte Macron Rom mit einem unangekündigten Libyen-Gipfel brüskiert, worauf sich im Dezember Italien mit einem Treffen in Palermo „rächte“.

Diesmal scheint es Salvini aber nicht wirklich um Libyen zu gehen. Im Auge hat der mächtige Vizepremier vielmehr die Europawahl im Mai, die er zumindest in Italien haushoch gewinnen will. Immerhin unterstützen laut Umfragen 35,8 Prozent seine rechtspopulistische Lega, die beim Parlamentsvotum im März nur 17 Prozent der Stimmen bekam. Für die mitregierende Fünf-Sterne-Bewegung, im März deutlich stärkste Kraft, würden heute 25,4 Prozent der Wähler stimmen. Salvinis Ziel ist, die Distanz zu den Fünf-Sterne noch weiter zu vergrößern – um dann möglicherweise die immer angespanntere Zusammenarbeit endgültig zu beenden. Gerüchte über Neuwahlen und eine Lega-Annäherung an den Ex-Partner, Silvio Berlusconis Forza Italia, halten sich hartnäckig.

Salvini, dessen harte Migrationspolitik in Italien gut ankommt, will mit Frankreich-Bashing punkten: Viele Italiener fühlen sich vom dominanten Nachbarn in den Schatten gedrängt und von Brüssel im Vergleich zu Frankreich unfair behandelt: Dass Italiens Schulden in der EU stets für Furore sorgen, während Frankreichs Budgetgrenzen-Überschreitungen nahezu kommentarlos hingenommen werden, stößt bitter auf. Dass Frankreich regelmäßig Flüchtlinge nach Italien zurückschickt und kaum Migranten aufnimmt, wird als scheinheilig angesehen. Groß war deshalb auch der Zorn, als Macron im Sommer Salvinis Migrationspolitik scharf kritisierte.

Gescheiterter Gelbwesten-Flirt

Vor allem aber versinnbildlicht Macron das perfekte Feindbild der Lega-Fünf-Sterne-Wählerschaft: In ihren Augen ist er ein Parade-Repräsentant des proeuropäischen, elitären Establishments – das man bei der EU-Wahl „zerstören“ will.

Nun ist also auch Di Maio – etwas spät – auf den Anti-Macron-Zug aufgesprungen. Zunächst versuchte er, sein Paris-feindliches Profil zu schärfen, indem er eine politische Allianz mit den Gelbwesten schmieden wollte. Die französische Protestbewegung erteilte ihm allerdings eine erniedrigende Absage – diese wollte er jetzt mit den Afrika-Provokationen wettmachen. Das Match ums heftigste Macron-Bashing dürfte allerdings auch diesmal Salvini gewinnen: Der schlaue Innenminister hat eindeutig die bessere Munition.

Auf einen Blick

Italiens Vizepremier Luigi Di Maio hatte Frankreich vorgeworfen, zur Verarmung von Afrika und dadurch zur Massenflucht beizutragen. Nachdem die italienische Botschafterin ins Außenministerium zitiert wurde, legte Innenminister Matteo Salvini nach: Er hoffe, dass sich die Franzosen von einem sehr schlechten Präsidenten werden befreien können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2019)

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