Van der Bellen in Israel: "Österreich mitverantwortlich für die Shoah"

Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit seiner Frau Doris Schmidauer in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit seiner Frau Doris Schmidauer in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.APA/ROBERT JAEGER
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In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel machte der Bundespräsident klar: "Keine Toleranz gegenüber Antisemitismus". Sein Amtskollege Rivlin sieht einen "wahren Freund Israels". Am Boykott der FPÖ-Minister ändert das nichts.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei seinem Staatsbesuch in Israel Österreichs Mitverantwortung für die Shoah betont. In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem verbeugte sich Van der Bellen vor den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus. Van der Bellen war auch mit dem Ziel nach Israel gereist, für Außenministerin Karin Kneissl eine Ausnahme vom dortigen Regierungs-Boykott der FPÖ-Minister zu erreichen. Doch vor den Neuwahlen in Israel dürfte sich in dieser Causa nichts bewegen.

"Zehntausende jüdische Österreicherinnen und Österreicher wurden vom Naziregime ermordet - und noch mehr wurden vertrieben. Viele Vertriebene fanden hier in Israel eine neue Heimat. Sie bauten das Land auf und verteidigten es in mehreren Kriegen. Lassen Sie mich unmissverständlich sagen: Österreich ist mitverantwortlich für die Shoah. Viele Österreicherinnen und Österreicher waren unter den Täterinnen und Tätern", sagte Van der Bellen bei einem Treffen mit Israels Staatspräsident Reuven Rivlin. "Darum verbeugen wir uns in Demut vor den Opfern. Zu dieser Mitverantwortung hat sich Österreichs erst spät, sehr spät bekannt. Das hat unser Verhältnis lange Zeit schwierig gemacht."

In Yad Vashem wohnten Van der Bellen und Rivlin in der "Halle der Erinnerung" eine Gedenkzeremonie für die sechs Millionen ermordeten Juden unter nationalsozialistischer Herrschaft bei. Van der Bellen legte einen Kranz nieder und verbeugte sich vor den Opfern. Zuvor betonte der Bundespräsident, dass ihm der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus schon immer ein starkes Anliegen gewesen sei.

"Keine Toleranz gegenüber Antisemitismus"

"Der Antisemitismus der Nationalsozialisten ist nicht vom Himmel gefallen. Er war schon zuvor in der österreichischen Gesellschaft sehr stark präsent. Die Shoah war der grausame Höhepunkt. Es darf daher keine Toleranz gegenüber Antisemitismus geben", so Van der Bellen. "Unser Ziel ist es, dass jüdisches Leben überall, ob in Israel, ob in Europa oder sonst wo, sicher und unbehelligt möglich ist. Das ist unsere Verantwortung. Das sind wir den Opfern der Shoah schuldig. Israel muss in Frieden leben können. Das ist in Österreich Konsens und ein nationales Anliegen."

Von Rivlin gab es für Van der Bellen einen äußerst herzlichen Empfang mit militärischen Ehren. "Sie sind ein wahrer Freund des Staates Israel und des jüdischen Volkes", begrüßte der Staatspräsident den Gast aus Österreich in Jerusalem, "der Hauptstadt Israels", wie Rivlin betonte.

Auch Rivlin legte den Fokus in seiner Rede auf den Kampf gegen den Antisemitismus. Er erwähnte 50 antisemitische Vorfälle in Österreich im vergangenen Jahr und lobte zugleich das Engagement der von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geführten österreichischen Regierung im Kampf gegen den Antisemitismus. Man müsse "kompromisslos gegen jede Form von Antisemitismus vorgehen", sagte Rivlin.

"Die Außenministerin als eine Art Sonderfall"

Nach einem Arbeitsgespräch der beiden Staatsspitzen wurde unterdessen klar, dass Israel wie erwartet am Boykott gegenüber Regierungsvertretern der FPÖ festhält. Israel begründet diese Vorgangsweise, die seit dem Start von Türkis-Blau verfolgt wird, mit den "antisemitischen Wurzeln" der FPÖ.

Van der Bellen hatte sich zuletzt bei Rivlin dafür stark gemacht, zumindest mit der auf einem FPÖ-Ticket befindlichen aber parteifreien Außenministerin Karin Kneissl Kontakte zu pflegen. "Meine Bitte ist schlicht, die Außenministerin als eine Art Sonderfall zu betrachten", sagte Van der Bellen nach dem Treffen mit Rivlin. Derzeit sei die Lage aber "wenig erfolgversprechend". Israel werde die Causa weiter prüfen. "Vor den Wahlen wird gar nichts passieren", so Van der Bellen. In Israel wird am 9. April ein neues Parlament gewählt. Zugeständnisse gegenüber den Freiheitlichen, die in ihrer langen Geschichte immer wieder mit antisemitischen Aussagen für Diskussionen gesorgt hatten, kämen da gar nicht gut an.

Ein für Montagnachmittag angesetztes Treffen Van der Bellens mit Premierminister Benjamin Netanjahu wurde wegen anderer terminlicher Verpflichtungen Netanjahus auf Dienstagvormittag verlegt.

(APA)

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