Wettstreit der Sänger um Venezuela

Der britische Milliardär Richard Branson initiiert „Venezuela  Aid Live“.
Der britische Milliardär Richard Branson initiiert „Venezuela Aid Live“.(c) APA/AFP/RAUL ARBOLEDA (RAUL ARBOLEDA)
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Aid Live. An der kolumbianisch-venezolanischen Grenze geben Latino-Stars ein Solidaritätskonzert für die Opposition. Staatschef Maduro organisierte eilends eine Gegenveranstaltung.

Buenos Aires/Caracas. Drei Brücken verbinden die kolumbianische Grenzstadt Cucutá mit dem venezolanischen Staat Táchira. Und zwei dieser drei Übergänge werden am Wochenende zu den zentralen Bühnen des Dramas um das Schicksal Venezuelas.

Seit Wochenanfang errichteten Arbeiter auf der kolumbianischen Seite der niemals eingeweihten Tienditas-Brücke eine Konzertbühne, auf de in der Nacht auf Samstag Latino-Stars wie die kolumbianischen Größen Maluma, Carlos Vives und Juanes sowie der puerto-ricanische „Despacito“-Sänger Luis Fonsi singen sollten – unter dem Motto „Venezuela Aid Live“, initiiert vom britischen Milliardär Richard Branson.

Und auf der Ostseite der südlichen Puente Simon Bolivar, über die der Großteil jener mehr als drei Millionen Menschen gezogen ist, die Venezuela in den letzten Jahren verlassen haben, will die Regierung des Landes ein zweitägiges Gegenfestival steigen lassen, das, offenbar auch mit Blick auf die internationale Wirkung das englische Motto „Hands off Venezuela“ bekam. Dieses erst am Donnerstag anberaumte Spektakel hat jedoch ein gewisses Personalproblem. Kein renommierter Künstler wollte seine Stimme für Nicolás Maduro erheben. Niemand weiß, wie lang dieser noch durchhält.

Schon vor zehn Tagen hatte Juan Guaidó, der Parlamentsvorsitzende und von mehr als 40 Regierungen anerkannte Übergangspräsident, den 23. Februar zum Stichtag ausgerufen. Heute soll Hilfe für Venezuelas Schwangere, Kleinkinder und Alte endlich ins Land kommen. Seit Wochen wurden Nahrungsergänzungsmittel, Medizinbedarf und Arzneien in die Grenzorte Kolumbiens und Brasiliens geliefert. Zwei weitere Depots gibt es nun auf der niederländischen Antilleninsel Curaçao sowie in Floridas Metropole Miami. Von Puerto Rico aus steuert seit vergangener Woche ein Frachter voller Hilfsmittel Venezuelas Küste an, er könnte bald anlegen. Wenn Venezuelas Militärs das denn zulassen.

Präsident Maduro hat das Hilfsprogramm als „geschmacklose Show“ bezeichnet. Er und seine Vizepräsidentin, Delcy Rodríguez, haben mehrfach behauptet, die angeblichen Hilfsmittel seien „verdorbene, gesundheitsschädliche und krebserregende Restbestände der US-Armee“. Derlei Behauptungen gehören zum täglichen Propagandakonzert der Regierung. Aber im Kern hat Maduro recht: Die Hilfslieferungen sind eine Inszenierung. Denn ginge es allein darum, die Arzneien ins Land zu bekommen, könnten sie auf denselben Wegen über die Grenze geschafft werden wie kolumbianisches Kokain und venezolanisches Benzin. Die 2200 Kilometer lange Grenze ist seit Jahrzehnten ein poröser Nährboden für eine veritable Schmuggelindustrie.

Die Bilder von blockierten Brücken und Straßen sollen den Venezolanern Maduros Zynismus vorführen. Und sie sollen die Militärs spalten. Guaidó will, dass nun Tausende Bürger die Soldaten bestürmen, die Befehle ihrer Vorgesetzten zu verweigern und die Hilfsmittel ins Land zu lassen. Eine Million Bürger seien bereit dazu, die Hilfslieferungen zu empfangen, berichtete Elisa Trotta, die von Guaidó kürzlich zur Botschafterin in Argentinien ernannt wurde.

Prominenter Überläufer

Auch wenn Maduro und seine kubanischen Telekommunikations-Kontrolleure Oppositionswebsites abschalten und das Internet stets lahmlegen, sobald Guaidó spricht, haben sich viele Bürger in Richtung der Grenzen aufgemacht, darunter auch Guaidó, freilich ohne Bekanntgabe der Reiseroute.

„Es kann schon sein, dass die Hilfsmittel am Samstag wieder nicht durchkommen“, sagt Miguel Velarde, ein venezolanischer Analyst, der sich kürzlich nach Buenos Aires abgesetzt hat. „Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis das System Maduro zusammenbricht.“ Am Donnerstag hatte sich eine der meistgefürchteten Figuren des Chavismo öffentlich zu Guaidó bekannt und angeboten, bei der Aufklärung der Verbrechen der Staatsspitze zu helfen. Hugo „das Hühnchen“ Carvajal weiß gut, wovon er spricht. Er war unter Chávez der Chef des Militärgeheimdienstes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2019)

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