Viktor Orbán hält EVP-Kritiker für „nützliche Idioten“

Ungarns Regierungschef, Viktor Orbán, hält an zweifelhafter Kampagne gegen Brüssel fest.
Ungarns Regierungschef, Viktor Orbán, hält an zweifelhafter Kampagne gegen Brüssel fest.(c) Francisco Seco/AP/Picturedesk
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Die Regierung in Budapest beendet die Plakataktion gegen Kommissionspräsident Juncker, will aber nun seinen Vize, Frans Timmermans, anprangern.

Budapest/Wien. Viktor Orbán denkt nicht daran, dem Druck der EU-Partner und der eigenen Parteienfamilie nachzugeben. In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ schüttet der ungarische Ministerpräsident noch einmal Öl ins Feuer und heizt den Konflikt mit seinen Kritikern an.

Jenen, die in der Europäischen Volkspartei (EVP) bereits über einen Ausschluss von Orbáns Regierungspartei, Fidesz, eintreten, hält er entgegen, sie seien „nützliche Idioten“ der Linken. „Während sie einen geistigen Kampf zu führen glauben, dienen sie den Machtinteressen anderer, ja jenen unserer Gegner.“

Im Streit um die Anti-Brüssel-Kampagne der ungarischen Regierung, die Auslöser des Konflikts war, kündigt Orbán lediglich eine Änderung der Richtung der persönlichen Attacken an; aufgeben möchte er die suggerierten Behauptungen, die EU-Kommission plane mit Unterstützung des Milliardärs George Soros eine Massenzuwanderung, nicht. Zwar wird das Plakat mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ersetzt, allerdings lediglich mit dessen Stellvertreter, Frans Timmermans, dem europäischen Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten bei der anstehenden Europawahl. Damit geht die Fidesz-Regierung davon ab, einen Parteifreund zu attackieren, bleibt aber inhaltlich bei den Vorwürfen. „In der nächsten Phase des Wahlkampfs [. . .] werden Sie einen weiteren Akteur auf den Plakaten sehen: Herrn Timmermans“, erklärte Orbán im Interview.

Ungarns Staatssekretär, Zoltán Kovács, hatte bereits zuvor angekündigt, dass die von Brüssel kritisierte Plakataktion gegen Juncker am 15. März beendet werde. Er wies aber darauf hin, dass die Kritik am Kommissionspräsidenten bestehen bleibe. Orbán kündigte zudem an, dass er sich auf EU-Ebene dafür einsetzen werde, der EU-Kommission die Agenden der Migrationspolitik zu entziehen. Sie solle durch ein Gremium aus Innenministern aller Schengen-Staaten ersetzt werden – ähnlich wie die Euro-Gruppe, die aus den Finanzministern aller Teilnehmer an der Währungsunion besteht.

Problematisch an der Kampagne, die auch von Bundeskanzler Sebastian Kurz, der deutschen CDU-Chefin, Annegret Kramp-Karrenbauer, und vielen EVP-Politikern kritisiert wurde, ist, dass es keinen Hinweis auf einen Wahrheitsgehalt der darin verbreiteten Behauptungen gibt. Die EU-Kommission hat zwar einst Modelle zur Entlastung von Italien und Griechenland während der Migrationskrise mit einer Aufteilung der Asylwerber vorgeschlagen, ist aber ebenso für einen verschärften Außengrenzschutz und konsequentere Abschiebungen von illegalen Zuwanderern eingetreten. Pläne für eine Massenzuwanderung gab es keine. Die EU-Kommission hat wie bei allen Politikfeldern der Gemeinschaft lediglich die Möglichkeit, Regelungen und Gesetze vorzuschlagen, diese müssen aber dann von allen Mitgliedstaaten gemeinsam beschlossen werden. Werden diese Regeln wie im Fall der Aufteilung der Flüchtlinge von einzelnen Mitgliedstaaten nicht eingehalten, muss sie dagegen vorgehen, weil dies im EU-Vertrag so festgeschrieben ist.

Ausschluss wird am 20. März beraten

Da bereits über sieben Mitgliedsparteien einen Antrag auf Ausschluss der Fidesz aus der Europäischen Volkspartei gefordert haben, muss das Thema laut Statuten bei der nächsten Parteienkonferenz am 20. März behandelt werden. Vor allem skandinavische und Benelux-Parteien sehen mit Orbáns Plakataktion die Toleranzgrenze überschritten. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer war am vergangenen Dienstag mit Fidesz-Vizechef, Gergely Gulyás, in Berlin zusammengetroffen, der wenige Tage später als Ehrengast von Vizekanzler Heinz-Christian Strache am Wiener Opernball teilnahm. Sowohl die deutsche CDU als auch die ÖVP haben sich zwar von ihren ungarischen Parteikollegen distanziert, sich aber bis zuletzt gegen einen EVP-Ausschluss ausgesprochen.

In Brüssel wird vermutet, die ungarische Regierung versuche, mit der Plakataktion vom Rechtsstaatsverfahren abzulenken, das vom Europaparlament im vergangenen September initiiert worden ist. Die Abgeordneten beschlossen damals mit großer Mehrheit das Verfahren, das bis zum Entzug des Stimmrechts im Rat der EU führen kann. Sie begründeten es mit Angriffen der ungarischen Regierung auf die Unabhängigkeit der Justiz, die Einschränkung der Medienfreiheit sowie die Rechte von Minderheiten und mit dem umstrittenen Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen. Dass es gerade Timmermans war, der in der EU-Kommission zwar ein solches Verfahren gegen Polen eingeleitet hatte, aber vor einem gegen Ungarn lang zurückgeschreckt war, brachte ihn offenbar nicht aus der Schusslinie der ungarischen Angriffe. Er wurde in der Vergangenheit vor allem von der mit Orbán verbündeten polnischen Regierung attackiert.

Der Konflikt könnte sich nun auch auf die Europawahl auswirken. Sollte die ungarische Fidesz die EVP verlassen, würde sie sich möglicherweise einer anderen Fraktion im Europaparlament, etwa jener der polnische Regierungspartei PiS anschließen, die derzeit in der Gruppe der Konservativen und Reformer (ECR) gemeinsam mit den britischen Tories verankert ist. Auch die Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF), der die FPÖ angehört, käme infrage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2019)

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