Kim Jong-uns Regime will den USA nach dem gescheiterten Hanoi-Gipfel offenbar seine Entschlossenheit demonstrieren. Gleichzeitig steuert das Land auf eine neue Hungersnot zu.
Seoul/Wien. Nur wenige Tage, nachdem das zweite Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un in Hanoi vorzeitig und ergebnislos abgebrochen wurde, melden gleich mehrere Stellen verdächtige Aktivitäten auf der an der Westküste gelegenen nordkoreanischen Raketenanlage Tongchang-ri. Von dort aus hat Nordkorea Langstreckenraketen gestartet, in der Anlage wurden auch Raketenmotoren getestet. Sowohl der südkoreanische Geheimdienst NIS als auch zwei amerikanische, auf das Geschehen in Nordkorea spezialisierte Thinktanks berichteten nun von neuen Bautätigkeiten auf der Anlage.
Die US-Website „38 North“ und das auf Satellitenaufklärung spezialisierte Projekt „Beyond Parallel“ des Washingtoner Zentrums für Strategische und Internationale Studien (CSIS) wollen einen „raschen Wiederaufbau“ von Infrastruktur an der Raketenstartrampe gesichtet haben. Offensichtlich gehe es den Nordkoreanern darum, ihre Entschlossenheit zu demonstrieren, nachdem die USA in Hanoi ihre Forderung nach Aufhebung der Wirtschaftssanktionen zurückgewiesen hatten.
US-Sicherheitsberater droht
Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton hat diese Woche dem Regime in Pjöngjang sogar mit einer weiteren Verschärfung der Sanktionen gedroht: „Wenn die Nordkoreaner nicht bereit sind, ihr Atomwaffenprogramm und alles, was damit verbunden ist, aufzugeben, wird es keine Erleichterung der erdrückenden Wirtschaftssanktionen geben, sondern wir werden die Sanktionsschraube noch fester anziehen“, erklärte der außenpolitische Scharfmacher gegenüber dem TV-Sender Fox Business News.
Während nordkoreanische Vertreter nach dem Scheitern des Hanoi-Gipfels noch erklärten, Kim und Trump seien entschlossen, ihren Dialog fortzusetzen, stellte Vizeaußenminister Choe Son Hui den Sinn weiterer Gespräche infrage: Machthaber Kim könne seinen Willen verlieren, mit Trump einen Deal auszuhandeln. Die Bauaktivitäten an der im August 2018 nach dem ersten Gipfeltreffen von Trump und Kim in Singapur stillgelegten Raketenanlage in Tongchang-ri könnten also ein weiteres Warnsignal an die Amerikaner sein.
Dass die internationalen Strafmaßnahmen Nordkorea und seiner Bevölkerung schwer zu schaffen machen, hat das Regime selbst eingestanden. In einem Memorandum an die UNO machte die nordkoreanische Führung die „barbarischen und unmenschlichen Sanktionen“ neben Wetterkapriolen für die sich wieder dramatisch zuspitzende Nahrungsmittelknappheit im Land verantwortlich. Im vergangenen Jahr führten eine Hitzewelle, Wirbelstürme und Fluten dazu, dass Nordkorea die niedrigste Ernte seit zehn Jahren einfuhr.
Nach Angaben der UNO von dieser Woche sind rund 3,8 der 25 Millionen Nordkoreaner dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Solche Hilfsleistungen sind eigentlich vom UNO-Sanktionsregime ausgenommen. Aber aufgrund restriktiver Interpretationen der Verbote für Banken- und Transporttransaktionen ist auch die Lieferung humanitärer Hilfsgüter praktisch zum Erliegen gekommen. Bereits Mitte der 1990er-Jahre hatte eine Hungersnot nach einer Dürre und Misswirtschaft nach offiziellen Angaben 200.000, nach internationalen Schätzungen sogar 2,5 Millionen Hungertote gefordert.
Wehe, wer nicht wählen geht
Weite Teile der Bevölkerung haben zwar chronisch zu wenig zu essen, dafür dürfen sie am kommenden Sonntag „wählen“ gehen. Da finden Wahlen zur Obersten Versammlung statt – formal zwar „das höchste Organ der staatlichen Macht“, wie in anderen kommunistischen Staaten aber ein reines Abnickparlament all jener Beschlüsse, die zuvor in den Reihen der allmächtigen „Partei der Arbeit“ getroffen wurden. Nicht wählen zu gehen gilt laut nordkoreanischen Überläufern als „politisches Vergehen“.
NORDKOREA-KRISE
Eskalation droht. Das Regime von Kim Jong-un hat nach Geheimdiensterkenntnissen und der Auswertung von Satellitenaufnahmen möglicherweise damit begonnen, die 2018 stillgelegte Raketenanlage Tongchang-ri wieder in Betrieb zu nehmen. Zugleich drohte der US-amerikanische Nationale Sicherheitsberater John Bolton an, die Sanktionen gegen Nordkorea weiter zu verschärfen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2019)