Brexit

May kämpft bis zur letzten Minute um Zustimmung in London

Mays Abkommen wurde im Jänner mit 230 Stimmen und in der Vorwoche mit 149 abgelehnt.
Mays Abkommen wurde im Jänner mit 230 Stimmen und in der Vorwoche mit 149 abgelehnt.(c) REUTERS (HENRY NICHOLLS)
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Britische Premierministerin will ein drittes Mal im Parlament abstimmen lassen. In der EU wachsen die Zweifel.

London. Bis zur letzten Minute wirbt die britische Premierministerin, Theresa May, um Zustimmung des Parlaments für ihr Abkommen mit der EU. „Wir müssen als Demokraten und Patrioten zusammenstehen“, schrieb May in einem Beitrag für den „Sunday Telegraph“. Dass es ihr nach zweimaliger Ablehnung ihres Deals doch noch gelingt, das Steuer herumzureißen, bewerten selbst treue Anhänger skeptisch. „Es hat keinen Sinn, am Dienstag eine neue Abstimmung abzuhalten, wenn wir keine Mehrheit haben“, sagt Handelsminister Liam Fox.

Mays Abkommen wurde im Jänner mit 230 Stimmen und in der Vorwoche mit 149 abgelehnt. Zwischen erster und zweiter Niederlage wurden nach Gesprächen mit der EU Klärungen vorgenommen. Vor der erwarteten dritten Abstimmung blieben weitere Schritte aus. Weiter gültig blieb die Rechtsmeinung des Chefjuristen der Regierung, Geoffrey Cox, dass Großbritannien nicht einseitig die Auffanglösung für Nordirland (Backstop) beenden könne.

Labour-Chef Jeremy Corbyn bezeichnete daher eine weitere Abstimmung als „lächerlich“. Zudem bekräftigte er, dass die stärkste Oppositionspartei an ihrer Ablehnung des „schlechten Deals“ festhalten werde. Die Premierministerin musste daher in den eigenen Reihen Unterstützer finden. Einige bisherige Hardliner signalisierten ein Umdenken. „Ich werde mir die Nase zuhalten und dafür stimmen“, sagte die ehemalige Arbeitsministerin Esther McVey.

Schlüssel liegt in Nordirland

15 konservative Abgeordnete, darunter Ex-Brexit-Minister David Davis, schrieben an ihre Gesinnungsgenossen: „Wir müssen jetzt austreten, einen harten Brexit vom Tisch nehmen und dann alles weitere aushandeln.“ Auch May wiederholte die Warnung, Großbritannien werde bei einem weiteren Scheitern ihres Deals „für viele Monate oder überhaupt nicht“ aus der EU austreten.

Die Schlüsselrolle in dem Drama hatten allerdings andere Protagonisten. Gespräche mit der nordirischen DUP gingen weiter. Die Partei hält nicht nur Mays Minderheitsregierung, der Backstop bleibt der Knackpunkt für eine Zustimmung. DUP-Fraktionschef Nigel Dodds warnte: „Es gibt noch offene Fragen.“ Zugleich zeigte sich die traditionell für Zuwendungen empfängliche DUP „empört“ über Warnungen vor „Bestechungsgeld“ für eine Zustimmung.

Ebenso gespannt wurde auf eine Festlegung der Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg und Ex-Außenminister Boris Johnson gewartet. Sollte sich Johnson in seiner Montagskolumne im „Telegraph“, dem meinungsbildenden Blatt der Konservativen, gegen Mays Deal aussprechen, kann sie ihre Hoffnungen auf eine Mehrheit begraben. Insgesamt musste die Premierministerin für einen Erfolg 75 Abgeordnete „umdrehen“.

Gerüchte um ein Veto Italiens

In der EU sieht man die immer größere Unsicherheit mit wachsender Sorge. Generalsekretär Martin Selmayr stellte klar, dass Großbritannien entweder eine sehr kurze Verlängerung bekommen kann, die keinen Einfluss auf die bevorstehende Europawahl hat, oder an der Wahl teilnehmen werden müsse. Man habe in Brüssel auch „ernste Zweifel“, ob May zum EU-Gipfel Ende der kommenden Woche „ausreichende Klarheit schaffen“ werde. Die Premierministerin sei schon bisher „nie präzise in ihren Positionen“ gewesen.

May hatte am Donnerstag die Zustimmung des Unterhauses dafür gewonnen, in Brüssel um eine „kurze, technische“ Verlängerung des Prozesses bis Ende Juni ansuchen zu dürfen. Die EU muss über einen britischen Verlängerungsantrag einstimmig entscheiden. In Brüssel will man dafür eine plausible Begründung und Vorgangsweise Londons. Nach Gerüchten plant Italien ein Veto. Der britische EU-Kritiker Nigel Farage habe von entsprechenden Absprachen mit Italiens Vizepremier, Matteo Salvini, berichtet, behauptete der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok.

Oppositionsführer Corbyn rief das Parlament auf, „einen nationalen Konsens“ zu finden. In Briefen an alle Parteien lud er zu Gesprächen ein. An die Konservativen schrieb er allerdings nicht. Für die Unterhausabstimmung hat Corbyn Unterstützung für einen überparteilichen Antrag signalisiert, der die Entscheidung an die Wähler weiterreicht: Sie sollten demnach in einer neuen Volksabstimmung zwischen Mays Deal und dem Verbleib in der EU entscheiden. Wie er sich selbst verhalten würde? Corbyn schummelte sich einmal mehr aus einer Festlegung heraus: „Meine Priorität ist es, einen EU-Austritt ohne Abkommen zu verhindern.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2019)

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