Netanjahu holt sich bei Trump Anerkennung der Golan-Annexion ab

US-Präsident Trump besiegelt mit seiner Unterschrift ein Golan-Dekret
US-Präsident Trump besiegelt mit seiner Unterschrift ein Golan-Dekretimago images / UPI Photo
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Israels Premier erhält Schützenhilfe von Trump im Wahlkampf. Nach Raketenbeschuss startet er Angriff auf Gaza.

Jerusalem/Washington. Die Angriffe gegen Hamas-Einrichtungen in Gaza waren bereits im Gange, als Donald Trump und Benjamin Netanjahu am späten Montagvormittag (Ortszeit) im Weißen Haus in Washington zu einer historischen Zeremonie zusammenkamen. Flankiert von Israels Premier, von US-Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo besiegelte der US-Präsident mit seiner Unterschrift eigenmächtig ein Dekret, das die Souveränität Israels über die Golan-Höhen anerkennt – wie dies Trump in einem Tweet in der Vorwoche angekündigt hatte. Netanjahu hatte lange in den USA für eine solche Anerkennung lobbyiert.

Trump und Netanjahu waren voll des Lobs über die israelisch-amerikanischen Beziehungen und ihre persönliche Freundschaft. Israels Premier sprach ostentativ von „meinem lieben Freund Donald“, und er brachte auch ein Gastgeschenk mit: Golan-Wein für den Abstinenzler Trump und seinen Mitarbeiterstab. „Der militärische Sieg wurde in einen diplomatischen Sieg umgewandelt“, sagte Netanjahu 52 Jahre nach der Okkupation der syrischen Golan-Höhen. Trump hatte ihm ein Wahlgeschenk für die Knesset-Wahl in zwei Wochen gemacht, bei der der von Korruptionsaffären und neuerdings auch von einem U-Boot-Skandal geschüttelte Premier vor der schwersten Herausforderung seiner politischen Karriere steht. 13 Jahre amtiert er bereits als Premier.

Vorzeitiger Abbruch der Visite

Netanjahu war am Wochenende zur jährlichen Aipac-Konferenz nach Washington aufgebrochen, der Tagung der wichtigsten und größten jüdischen Lobby in den USA, als die Nachricht vom einem Raketenangriff der Hamas auf das Dorf Mishmeret nördlich von Tel Aviv in die Staatsvisite platzte. Sieben Menschen wurden verletzt, darunter drei Kleinkinder. Trump bot das gesamte Protokoll für Netanjahu auf: Im Weißen Haus war alles bereit für die Inszenierung des Staatsakts um den Golan und ein Staatsbankett am Dienstagabend – seltene Ehre für einen Staatsgast, der im Blair House übernachtete., dem Gästehaus vis-à-vis vom Weißen Haus.
Doch Israels Regierungschef sah sich gezwungen, den Besuch vorzeitig abzubrechen und auch seinen Auftritt bei der Aipac-Tagung abzusagen.

Noch in der Nacht auf Dienstag wollte er nach Tel Aviv zurückfliegen. Im Wahlkampf-Finale will er in der Heimat Präsenz zeigen und sich nicht dem Vorwurf der Schwäche aussetzen. Erst unlängst waren zwei Raketen aus dem Gazastreifen nahe Tel Aviv eingeschlagen, ohne freilich Schaden anzurichten. Netanjahu musste sich bereits im Vorjahr gegen Kritik zur Wehr setzen, nach Raketenangriffen und massiven Unruhen an der Gaza-Grenze keine Vergeltungsschläge in Gaza ausgeführt zu haben.
In Wahlkampfzeiten sind solche Vorwürfe noch brisanter, zumal Ex-Armeechef und Oppositionsführer Benny Gantz das Monopol Netanjahus als Garant für Israels Sicherheit in Frage stellt und ihm Fehler vorwirft. Auch Gantz sprach in Washington bei der Aipac-Konferenz, musste aber mit einer Unterredung mit Vizepräsident Pence vorlieb nehmen. Donald Trump fand keinen Termin für den Netanjahu-Herausforderer – auch dies ein Freundschaftsdienst für Israels Premier.

Unruhe und interne Probleme in Gaza

In Israel bahnt sich derweil in der heißen Wahlkampfphase eine neue Eskalation mit der islamistischen Hamas an. Krieg liegt in der Luft. Israels Armee hat mehrere Brigaden nahe des Gazastreifens stationiert, und sie berief auch Reservisten für den Einsatz des Raketenabwehrsystems „Iron Dome“ ein. Mehrere Straßen im Süden Israels wurden aus Sicherheitsgründen gesperrt.

Für Israel sind Raketeneinschläge auf die unweit des Gazastreifens gelegenen Ortschaften zur bitteren Routine geworden. Öffentliche Gebäude sind sicher konstruiert, die Bevölkerung ist geschützt, erhält Steuervergünstigungen und ist die seit Jahren regelmäßig aufheulenden Sirenen gewohnt. Viel schlimmer trifft es indessen den Nerv des Staats, wenn palästinensische Angriffe unweit von Tel Aviv eine ahnungslos schlafende Familie erwischen.

Hintergrund der Raketenangriffe sind Unruhen im Gazastreifen. Zum ersten Mal ziehen seit Mitte März Tausende Palästinenser durch die Straßen und protestieren gegen die hohen Steuerforderungen der islamistischen Führung und die Lebenshaltungskosten. Palästinensische Sicherheitskräfte gingen zum Teil mit Knüppeln gegen die Demonstranten vor. Rund 150 Palästinenser sollen verhaftet worden sein. Die Proteste stehen unter dem Motto „Wir wollen leben.“

AUF EINEN BLICK

Golan-Höhen. Israel okkupierte den Höhenzug an der syrisch-israelischen Grenze 1967 im Sechstagekrieg und annektierte das Gebiet im Jahr 1981. Auf dem Territorium leben heute rund 20.000 israelische Siedler und 20.000 Drusen. Israels Armee unterhält auf dem Golan Militärstützpunkte und Abhörstationen, sie ist darum außerordentlich gut informiert über die Vorgänge im syrischen Bürgerkrieg. Horrorszenario in Israel ist, dass der Iran und die pro-iranische Hisbollah die Kontrolle über den strategisch wichtigen Golan übernehmen könnten. Verhandlungen über die Rückgabe des Golans an Syrien, die Israel in der Spätphase des Diktators Hafez al-Assad geführt hatte, hat die Regierung in Jerusalem längst eingestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2019)

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