Tusk: Großbritannien soll an EU-Wahl teilnehmen

Bleibt Theresa May Premierministerin? Bleibt Großbritannien in der EU? Die Fragen zum Brexit werden mehr statt weniger.
Bleibt Theresa May Premierministerin? Bleibt Großbritannien in der EU? Die Fragen zum Brexit werden mehr statt weniger.APA/AFP/PAUL ELLIS
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Man dürfe die Briten, die für einen EU-Verbleib gestimmt haben, nicht im Stich lassen, sagt der EU-Ratspräsident. Die Premierministerin will ihren Deal noch durchboxen - möglicherweise mit Rücktritt.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat eindringlich dafür plädiert, Großbritannien an der Europawahl teilnehmen zu lassen, wenn eine längere Verlängerung der Brexit-Frist notwendig wäre. Einige im EU-Parlament würden dies für schädlich halten, aber "so eine Denkweise ist nicht akzeptabel", betonte Tusk am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg.

Tusk betonte, man könne sechs Millionen Briten, die eine Petition für den Verbleib ihres Landes in der EU unterzeichnet haben, nicht im Stich lassen. Diese Menschen müssten auch vom Europaparlament vertreten werden, "denn sie sind Europäer".

Der EU-Gipfel vergangene Woche hatte Großbritannien einen kurzen Aufschub gewährt. Sollte das britische Unterhaus das Abkommen mit der EU annehmen, tritt Großbritannien am 22. Mai aus. Sollte das Parlament den Austrittsvertrag nicht akzeptieren, gilt eine Frist bis 12. April und Großbritannien muss Hinweise geben, wie es weitergeht.

Der EU-Brexit-Chefverhandler Michel Barnier hat Großbritannien aufgerufen, "eine Wahl für seine Zukunft zu treffen und endlich die Verantwortung für die Konsequenzen zu übernehmen". Im EU-Parlament in Straßburg betonte Barnier am Mittwoch: "Niemand in Brüssel will den Brexit zurücknehmen, niemand will dem britischen Volk dieses Abstimmungsergebnis aberkennen."

Nachfolgedebatte samt Brexitdebatte

Im Brexit-Durcheinander verdichten sich unterdessen Spekulationen über einen Rücktritt der britischen Premierministerin TheresaMay. Die Regierungschefin kündigte für Mittwoch ein Treffen mit Abgeordneten ihrer Tory-Partei an, bei dem sie nach Informationen aus ihrer Partei ein Datum für ihren Rückzug ankündigen könnte. Doch die Nachfolger wagen sich noch nicht aus der Deckung. Denn wer längerfristige Pläne als Premier hat, wartet das Chaos lieber ab.

Von Brexit-Befürwortern kamen Signale, dass sie auf das bisher abgelehnte Austrittsabkommen einschwenken könnten, wenn unter einem anderen Regierungschef über das anstehende Handelsabkommen mit der EU verhandelt würde. Selbst der ehemalige britische Außenminister Boris Johnson neigt einem Medienbericht zufolge dazu, das von May mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen nun zu stützen. Johnson sehe die Gefahr, dass Großbritannien die EU gar nicht verlasse, sollte das Unterhaus erneut gegen Mays Vereinbarung votieren, berichtet die Zeitung "Telegraph". Der Brexit-Hardliner Johnson zählt zu den härtesten Gegnern Mays. Mit Jacob Rees-Mogg schwächte ein weiterer Brexit-Hardliner seine ablehnende Haltung gegenüber Mays Austrittsvertrag mit ähnlichen Worten ab: Die EU auf mangelhafte Weise zu verlassen sei am Ende besser als gar kein Austritt, sagte er.

Die oppositionelle Labour-Partei legte einen eigenen Brexit-Plan vor, der eine enge Bindung Großbritanniens an die EU vorsieht. Dies ist eine von mehreren Alternativen zu Mays Brexit-Vertrag, über die das Parlament am Mittwochabend abstimmen soll.

Indicative Votes

Fast drei Jahre nach dem Referendum und drei Tage vor dem ursprünglich geplanten Ausstiegstermin war am Dienstag unklar, wie, wann und ob es überhaupt zum Brexit kommt. Die Briten sind in der Frage weiter tief gespalten, die politische Situation inzwischen völlig verfahren. Am Montag hatte das Unterhaus der Regierung die Kontrolle über den Brexit-Prozess abgerungen und Probeabstimmungen ("Indicative Votes") über Alternativen zu Mays EU-Austrittsvertrag durchgesetzt. Über die verschiedenen Optionen werden die Parlamentarier am Mittwochnachmittag debattieren und ab 20 Uhr (MEZ) votieren. Ergebnisse werden nach 22 Uhr erwartet.

May hat erklärt, dass es sich nur Probeabstimmungen ohne bindende Wirkung für sie handele. Um 18 Uhr soll sie sich mit Abgeordneten ihrer konservativen Partei treffen. Dabei erwarten einem Journalisten der Zeitung "The Sun" zufolge die Granden der Tories eine Terminankündigung für Mays Rücktritt. Ein Abgeordneter sagte, dies sei "sicher eine Möglichkeit". Andere dagegen zweifelten daran, dass May sich ohne eine feste Zusage für ihren Brexit-Vertrag auf einen Rücktritt einlassen würde. Die 62-Jährige hat im Verlauf der langwierigen Brexit-Debatte bereits zwei Versuche abgewehrt, sie aus dem Amt zu drängen.

May kämpft um drittes Votum

Die Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Oliver Letwin, mit dem sich das Unterhaus die Kontrolle über das weitere Vorgehen verschaffte, war angesetzt worden, nachdem May eingeräumt hatte, dass ihr Brexit-Vertrag wohl auch bei einem dritten Anlauf derzeit am Widerstand im Parlament scheitern würde. Gleichzeitig betonte sie, weiterhin um Unterstützung für ihren Vertrag zu werben, um doch noch ein drittes Votum zu ermöglichen. Im Gespräch dafür ist der kommende Donnerstag.

Eigentlich war der Brexit für diesen Freitag vorgesehen. Da Mays mit der EU ausgehandelter Vertrag aber im Unterhaus durchfiel, räumte die EU eine Verschiebung ein, um einen harten Brexit zu verhindern. Sollte weiterhin keine Einigung auf einen Vertrag gelingen, muss Großbritannien am 12. April die EU verlassen. Mit einem Abkommen gilt eine Frist bis zum 22. Mai.

(APA/Reuters)

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