Nach der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul bildet sich eine breite Front gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Selbst in der AKP sind nicht alle mit dessen Vorgehen einverstanden.
Istanbul. Am Morgen nach der Annullierung der Istanbuler Oberbürgermeisterwahl redet die ganze Stadt nur über ein Thema: die Entscheidung der Wahlkommission, den frisch gewählten Bürgermeister, Ekrem İmamoğlu, wieder abzusetzen. „Demokratie und Rechtsstaat gibt's in der Türkei nicht mehr“, schimpft der Friseur Ahmet. „Eine Ungerechtigkeit ist das“, sagt der Krämer Ilhan nebenan. Die meisten seiner Kunden sind verärgert über den Beschluss der Wahlkommission. Selbst Anhänger der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der mit Druck auf die Wahlkommission die Neuwahl am 23. Juni durchgesetzt hat, seien sauer.
İmamoğlu hatte unmittelbar nach Verkündung des Beschlusses am Montagabend deutlich gemacht, dass er nicht daran denkt, jetzt aufzugeben. „Unser Weg ist lang“, sagte er vor Tausenden Anhängern in Istanbul. Ausdrücklich warb der Politiker der Säkularistenpartei CHP um Unterstützung von Linken, Nationalisten und Kurden. Einige kleinere Parteien wollen am 23. Juni ihre Oberbürgermeisterkandidaten zurückziehen und İmamoğlu unterstützen.
Auch die Kurdenpartei HDP steht wie schon bei der März-Wahl hinter ihm. Rein rechnerisch hätte dieses informelle Bündnis aus CHP, HDP, kleineren Parteien und enttäuschten AKP-Wählern sehr gute Chancen. Schon bei der März-Wahl gewann sie in Istanbul gegen Binali Yıldırım, den Kandidaten der AKP und deren rechtsnationalistischen Partnerin MHP.