"Nein, Premierministerin May"

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Theresa May will ihren Brexit-Deal ein weiteres im Unterhaus zur Abstimmung bringen. Doch es gibt enormen Widerstand - reichen ihre Köder an Labour-Opposition und Brexit-Hardliner aus?

Die neuen Brexit-Vorschläge der britischen Premierministerin Theresa May an die Parlamentarier in London waren als Befreiungsschlag gedacht, aber die Reaktion ist verheerend. May hatte ihre als "kühn" angekündigten neuen Pläne am Dienstag bei einer Rede in London vorgestellt und wollte sie am Mittwoch in der traditionellen Fragestunde im Parlament, dem Unterhaus, verteidigen.

"Nein, Premierministerin" war die Schlagzeile in der Gratiszeitung "City A.M.". "May entfacht Wutausbruch" in ihrer Partei, schreibt die "Financial Times". "Verzweifelt, verblendet, verloren" war die Schlagzeile des "Daily Telegraph" - ein Zitat des früheren Brexit-Staatssekretärs David Jones. "Wir können es nicht weiter ertragen", sagte Nigel Evans vom einflussreichen 1922-Ausschuss der Konservativen Partei der Zeitung "Sun". Er verlangte ein sofortiges Misstrauensvotum gegen May, "wenn sie nicht zurücktritt - jetzt".

Ex-Außenminister Boris Johnson, der May den Vorsitz der Konservativen Partei und damit den Job als Regierungschefin streitig machen will, kündigte - wie zahlreiche andere Abgeordnete - ein "Nein" bei der Abstimmung an.

May schreibt offenen Brief an Corbyn

May ringt darum, ihren Vertrag über den Austritt des Landes aus der Europäischen Union durch das Unterhaus zu bringen. Damit ist sie schon dreimal gescheitert. Nun will sie es in der ersten Juni-Woche auf dem Umweg über das Gesetz zur Umsetzung des Vertrags versuchen. Zwar bliebe der Vertrag derselbe, weil die EU jegliche Änderungen ausgeschlossen hat. Aber zu einem Gesetz können Zusatzanträge gestellt und verabschiedet werden.

Die Premierministerin beschwor Oppositionsführer Jeremy Corbyn am Mittwoch in einem offenen Brief, ihr die Stange zu halten. "Ich habe gezeigt, dass ich bereit bin zu Kompromissen. Ich bitte Sie, seien Sie es auch." Man werde das Gesetz genau anschauen, meinte Corbyn. "Aber wir werden keine neuverpackte Version des alten Deals unterstützen."

May stellte als Köder für die Labour-Opposition Garantien für Arbeiterrechte und das Versprechen, die hohen Umweltstandards der EU weiter einzuhalten, in Aussicht. Als Anreiz für Brexit-Hardliner versprach sie eine neue Lösung zur Vermeidung einer Grenze zwischen dem EU-Land Irland und dem britischen Nordirland. Im Ausstiegsvertrag heißt es, Großbritannien bleibe so lange in einer Zollunion mit der EU, die keine Grenze nötig macht, bis eine andere Lösung zur Grenzvermeidung gefunden ist. "Backstop" heißt diese Regelung. May will die britische Regierung nun per Gesetz verpflichten, eine solche Lösung zu finden, damit der "Backstop" nicht zur Anwendung kommt.

May stellt Referendum über Brexit-Vertrag in Aussicht

Die Zollunion ist ein rotes Tuch für Hardliner in ihrer Partei, weil Großbritannien dann keine eigenen Handelsverträge aushandeln könnte. Ob Großbritannien in einer Zollunion bleibt oder nicht, ist aber gar nicht Teil des Austrittsabkommens. Das Thema käme erst nach dem Austritt bei den Verhandlungen mit der EU über die künftigen Beziehungen auf den Tisch. May versprach, dass die Abgeordneten über Richtlinien für die künftigen Beziehungen zur EU abstimmen können. Ebenso sollen sie darüber abstimmen können, ob das Volk über den Brexit-Deal abstimmen können soll. Was nach einem Referendum im Fall einer Ablehnung ihres Vertrag passieren soll, sagte sie nicht.

Die Briten hatten im Juni 2016 bei einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt. Eigentlich hätte Großbritannien die EU bereits am 29. März 2019 verlassen sollen. Die Frist für den EU-Austritt wurde inzwischen bis zum 31. Oktober verlängert. Deshalb nimmt Großbritannien noch an der Europawahl teil.

(APA/dpa)

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