Schwäche zu zeigen, verbot sich im Amt des deutschen Regierungschefs offenbar, das zeigt ein Blick in die Vergangenheit.
Von Angela Merkel, der deutschen Bundeskanzlerin, gibt es aktuell öfters Meldungen von „Zitteranfällen“. Es gehe ihr gut, betont sie. Und man mag ihr durchaus glauben, dass die offensichtlich nur im Stehen auftretendenen Anfälle kaum Einfluss auf das restliche Wohlbefinden der Kanzlerin haben.
Doch ein deutscher Bundeskanzler mit schwacher Gesundheit? Das war und ist für viele undenkbar. Waren frühere Regierungschefs ernsthaft krank, wurde geschwiegen oder bewusst verharmlost. Schwäche zu zeigen, verbot sich im Amt des deutschen Regierungschefs offenbar. Man fürchtete wohl, dies könne ausgenutzt werden - vom politischen Gegner etwa oder von Konkurrenten innerhalb der eigenen Partei.
Beim Sozialdemokraten Willy Brandt zum Beispiel gab es während seiner Amtszeit Spekulationen über mögliche Depressionen, da er sich regelmäßig für einige Tage zurückzog. Kurz vor seinem Rücktritt war dann offiziell von einer "fiebrigen Erkältung" die Rede. Im Nachhinein gab der 1992 verstorbene Altkanzler zu: "In Wirklichkeit war ich kaputt."
Brandts Nachfolger Helmut Schmidt (ebenfalls SPD) antwortete in einem Interview der "Zeit" 2014 auf die Frage, ob Brandts Depressionen kaschiert worden seien: "Wir haben darüber nicht geredet, wir haben es stillschweigend zur Kenntnis genommen. Und er hat seine Arbeit doch fabelhaft gemacht."
Schmidt selbst litt regelmäßig unter Ohnmachtsanfällen, die während seiner Kanzlerschaft nicht offiziell publik wurden. "Wir haben darüber nicht geredet, sondern es war klar, dass wir nichts sagen würden. Das Entscheidende ist, dass die Umgebung des Politikers, dass die die Schnauze halten", sagte er im selben Interview. "Ich bin wahrscheinlich an die hundert Mal besinnungslos vorgefunden worden. Meistens nur wenige Sekunden, manchmal aber auch Minuten. Das haben wir mit Erfolg verheimlicht - und es hat mich nicht daran gehindert, meine Pflicht als Regierungschef zu tun."
Auch Christdemokrat Helmut Kohl hatte als Kanzler mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Kurz vor dem Bundesparteitag der CDU im September 1989 etwa litt er unter großen Schmerzen - und hätte eigentlich sofort an der Prostata operiert werden sollen. Stattdessen verständigte sich Kohl mit seinem Arzt auf einen provisorischen Eingriff, fuhr am nächsten Tag zum Parteitag und stand ihn irgendwie durch. Eine Absage war für Kohl undenkbar, da er Angst vor einem parteiinternen Putsch hatte. Sein Arzt war während des Parteitags dabei und wurde als "neuer Mitarbeiter" ausgegeben, wie Kohl in seinen "Erinnerungen" schreibt.
(APA/dpa)