Am Montag endete die Frist für die Wahl des künftigen Tory-Parteivorsitzenden – und damit britischen Premierministers. Gewinnen wird wohl Boris Johnson, ein Meister der Inszenierung. Nun muss er zeigen, ob er auch Substanz hat.
Immer, wenn Boris Johnson nach seiner Regierungstauglichkeit gefragt wird, verweist er auf seine Zeit als Londoner Bürgermeister. „Alle haben gesagt, es sei unmöglich“, doch im Alleingang habe er den Londonern ihre geliebten Doppeldeckerbusse der Marke Routemaster zurückgebracht.
Die Wahrheit sieht freilich anders aus: Die alten Busse mit offener Plattform und Schaffner wurden durch elegante neue Fahrzeuge ersetzt, bei denen im Sommer im oberen Abteil solche Bruthitze herrscht, dass für den Betrieb der Klimaanlage mehr Diesel verbraucht wird, als die elektrische Anfahrhilfe der Busse einspart. Eine offene Plattform wurde aus Sicherheitsgründen gestrichen, ebenso aus Kostengründen die Schaffner. Die Busse sind so teuer, dass ihre Herstellung mittlerweile eingestellt wurde.
Das Beispiel illustriert zwei Charakterzüge des künftigen britischen Premierministers, der voraussichtlich am Dienstagvormittag von der Parteibasis zum Regierungschef bestimmt wird:
Boris Johnson spricht wie kein anderer Politiker die Sehnsucht vieler Briten nach einer „Fantasie nach einem Zuhause an, das in einem vergangenen, weniger komplexen und sichereren Zeitalter lange vor der Globalisierung verortet ist“, wie die Kulturwissenschaftlerin Candida Yates sagt. „Es ist eine Zeit, in der Straßenfeste mit Wimpeln stattfinden, Gemeinden sich in Sportwettkämpfen messen und die Klassendifferenzen noch intakt sind.“ Das Votum für den Brexit ist der ultimative Ausdruck dieses Strebens.