Ein Fünftel des globalen Ölhandels wird über die Meerenge abgewickelt. Noch macht der Preis keine großen Sprünge.
Wien. Was in der Antike galt, gilt noch heute. Zumindest für die Straße von Hormuz. Diese Meerenge zwischen dem Iran und dem Oman war einst wichtige Schifffahrtsroute. Heute ist das Verbindungsstück zwischen Persischem Golf und Golf von Oman das weltweit wichtigste Nadelöhr – zumindest für den Handel mit Öl. Angesichts des sich verschärfenden Konflikts zwischen dem Iran und Großbritannien rückt die Handelsstraße einmal mehr in den Fokus.
Denn rund ein Fünftel des global produzierten Rohstoffs muss diese Passage durchqueren. Rund ein Drittel des auf dem Seeweg transportierten Schmierstoffes der Weltwirtschaft führt zwangsläufig hier durch. Doch nicht nur Rohöl auch Flüssiggas (LNG) durchquert auf Tankern die Meerenge – rund ein Viertel der weltweiten Versorgung wird über diesen Seeweg bedient. Ein Sperre träfe hier vor allem Katar, als größten LNG-Produzenten. Ein Angriff seitens des Iran auf das Land, gilt als eher unwahrscheinlich, beide Staaten kommen vergleichsweise gut miteinander aus.
Auch Indien betroffen
Der Irak wiederum hat zwar die Möglichkeit sein Öl via Pipeline in die Türkei umzuleiten, doch geht der überwiegende Teil der Exporte durch den Persischen Golf und die Meerenge.
Bei einem eskalierenden Konflikt würde am ehesten noch Saudi Arabien manövrierfähig bleiben, da es eine mehr als 1000 Kilometer lange Ölpipeline quer durch das Land zu einem Exportterminal ins Rote Meer besitzt. Bisher wurde deren volle Kapazität aber noch nicht ausgeschöpft – doch selbst wenn, könnte das Königreich weniger Öl ausliefern, als es das bisher tagtäglich gewohnt war.
Selbst Japan, Indien und Südkorea blieben von einem Konflikt nicht verschont, sollte es zu Lieferproblemen kommen. Diese Staaten beziehen ihr Öl zu großen Teilen aus dieser Region. Allein Indien muss mehr als 80 Prozent seines gesamten Rohölbedarfs durch Importe decken, zwei Drittel davon stammen aus dem Mittleren Osten. Jede deutliche Preissteigerung würde dem Land eine Ausweitung seines Leistungsbilanzdefizits bescheren.
Ölpreis könnte stark steigen
Noch spiegelt sich die kriselnde Situation am Persischen Golf aber nicht in bedeutenden Kursanstiegen bei Rohöl wider. Ein Fass (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete zuletzt rund 63 Dollar.
Damit liegt man allerdings noch immer deutlich unter dem Durchschnittswert aus 2018, der bei 69 Dollar lag. Sein Hoch erreichte der Ölpreis, betrachtet man die letzten eineinhalb Jahre, vergangenen Oktober, als ein Barrel 86 Dollar kostete. Dann verbilligte sich der Rohstoff bis Jahresende, seither ist es zu einem kontinuierlichen Anstieg, mit Rücksetzern, gekommen.
Spitzt sich die Lage in der Region nun dramatisch zu, halten Experten einen unmittelbaren Preisanstieg von hundert Dollar je Fass oder darüber hinaus für durchaus realistisch. Rohöl könnte sich dann aber bei einem Wert von rund 80 Dollar einpendeln, sobald eine gewisse Widerstandsfähigkeit der Ölexporte aus der Region nachgewiesen werden kann, sagt Ken Medlock von der Rice University in Houston. Dass die Straße von Hormuz aber wirklich geschlossen wird, bezeichnet Fereidun Fesharaki, ein früherer Berater der iranischen Regierung, als „Unsinn“.
Gefährlicher wurde es für Schiffe und Tanker aber allemal. Zuletzt stiegen die Risikoprämien für sie deutlich an. Ein langwieriger Konflikt in der Region würde jedenfalls niemandem helfen, auch nicht der Weltwirtschaft.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2019)