Reisefreiheit für saudische Frauen

König Salman gibt per Dekret den Bürgerinnen des erzkonservativen Landes mehr Rechte als bisher. Doch ein Teil des rigiden Vormundschaftssystems bleibt.

Istanbul/Riad. Es hat schon vor zwei Wochen Gerüchte gegeben, dass das passieren könnte. Nun ist es so weit: Per Federstrich hat König Salman im erzkonservativen Saudiarabien die Rechte der Frauen gestärkt. Diese dürfen nun ohne Zustimmung eines männlichen Vormunds einen Pass beantragen und allein reisen.

Frauen feierten die am Freitag veröffentlichten Dekrete des Königs als weiteren Meilenstein, ein Jahr nach Einführung des Führerscheins für Frauen. Die Reform hat aber auch das Ziel, Saudiarabiens ramponiertes Image aufzupolieren.

Frauenrechtlerinnen protestieren seit Jahren gegen das Vormundschaftssystem, das saudische Frauen in vielen Lebensbereichen von ihren Männern, Vätern und Söhnen abhängig und zu Bürgern zweiter Klasse macht. Salmans Dekrete beziehen sich nun ausdrücklich auf alle Bürger älter als 21 Jahre, ohne zwischen Frauen und Männern zu unterscheiden: ein Signal der Gleichstellung.

Die Reform ist Teil der ehrgeizigen Agenda des Kronprinzen Mohammed bin Salman, genannt MBS, des starken Manns in Riad. Der 33-jährige Thronfolger will Saudiarabien in die Moderne führen, beharrt aber darauf, dass alle Veränderungen vom Königshaus ausgehen und kontrolliert werden. Initiativen der Zivilgesellschaft werden nicht geduldet.

Laut den Erlässen können Frauen künftig nicht nur allein reisen, sondern auch erstmals die Geburt ihrer Kinder anmelden und eine Eheschließung oder Scheidung bei den Behörden eintragen lassen, ohne dass ein Mann aus ihrer Familie dem zustimmen muss.

Allerdings wird das Vormundschaftssystem nicht völlig abgeschafft. So brauchen Frauen weiter die Erlaubnis eines Manns, um zu heiraten oder allein in einer Wohnung leben zu dürfen. Auch können weibliche Häftlinge nach Verbüßung einer Strafe auch weiterhin nur dann aus dem Gefängnis entlassen werden, wenn dem ein männlicher Verwandter zustimmt.

Zum Teil sind die Reformen eine Reaktion auf Negativschlagzeilen in der Weltpresse – nicht zuletzt nach dem Mord am Dissidenten Jamal Khashoggi 2018.

Gefolterte Frauenrechtlerin

Zudem bedeuten die Dekrete keine Kursänderung im Umgang mit der Zivilgesellschaft. Kurz vor Gewährung der Führerscheine für Frauen im Juni 2018 wurden mehrere Feministinnen verhaftet. Die Frauenrechtlerin Loujain al-Hathloul erfuhr vom jetzigen Schlag gegen das Vormundschaftssystem im Gefängnis. Sie sitzt seit mehr als einem Jahr in Haft und wurde nach eigenen Angaben gefoltert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2019)

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