Wer führt die SPD – und wohin?

Showdown um den SPD-Vorsitz: 17 Kandidaten touren seit gestern kreuz und quer durchs Land.
Showdown um den SPD-Vorsitz: 17 Kandidaten touren seit gestern kreuz und quer durchs Land. (c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
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Der Kampf um den Parteivorsitz ist im Saarland eröffnet worden. Es geht auch um die Zukunft der Regierung. Und es gibt die erste Überraschung.

Berlin. Das Saarland, ganz im Westen der Republik, ist klein, ja winzig für deutsche Verhältnisse. Und doch dominiert es die Große Koalition. Der Außenminister, der Wirtschaftsminister, die Verteidigungsministerin und CDU-Chefin: Sie alle stammen aus dem bevölkerungsärmsten Flächenbundesland, in dem nur jeder achtzigste Deutsche beheimatet ist. Und nun sollte im Saarland im besten Fall ein neuer SPD-Stern aufgehen.

Die Partei erwählte die Landeshauptstadt Saarbrücken für den Auftakt im Kampf um den SPD-Vorsitz, für die erste von 23 Regionalkonferenzen. Sechs Wochen lang touren die Kandidaten für den Vorsitz nun kreuz und quer durch Deutschland, sie messen sich auf offener Bühne, bevor von 14. bis 25. Oktober die Mitglieder ihr Verdikt sprechen und Andrea Nahles' Nachfolger wählen.

Die Regionalkonferenz hatte noch nicht begonnen, da setzte es die ersten Beschwerden. Kandidat Karl Lauterbach vom linken Parteiflügel monierte, dass den Bewerbern kaum Redezeit zustünde. „Das ist kein Verfahren, in dem man sich profilieren kann“, klagte er. 60 Sekunden waren in Saarbrücken pro Antwort eingeplant, damit jeder der zunächst 17 Bewerber (acht Pärchen, ein Einzelkämpfer) zu Wort kommen konnte.

In der SPD-Zentrale wischte man Lauterbachs Kritik beiseite. Dort hoffen sie, dass der Wettstreit auf offener Bühne die in Umfragen auf 13 bis 15 Prozent geschrumpfte SPD neu belebt. Der Kampf um die CDU-Spitze dient hier als Vorbild: Die Regionalkonferenzen zur Nachfolge Angela Merkels haben der Kanzlerpartei viel Aufmerksamkeit und ein Zwischenhoch in den Umfragen beschert. Für die zweite SPD-Neuerung, die gewünschte Frau-Mann-Doppelspitze, liefern die Grünen Inspiration. Zwar haderte die Ökopartei lange mit dem Modell, aber nun treibt das grüne Duo Annalena Baerbock und Robert Habeck die Große Koalition erfolgreich vor sich her.

Doch eine Doppelspitze hat ihre Tücken. Generalsekretär Lars Klingbeil begrub seine Ambitionen auf den SPD-Vorsitz mit der Begründung, dass er keine Frau fand, mit der es „zu 100 Prozent“ passte. Vizekanzler Olaf Scholz, der mit Abstand bekannteste Kandidat, suchte nach einer Partnerin an seiner Seite, um dann die gänzlich unbekannte Klara Geywitz aus dem Hut zu zaubern, die just an diesem Sonntag ihr Landtagsmandat bei den Wahlen in Brandenburg verloren hat.

Scholz' größter Vorteil und sein größter Nachteil liegen darin, dass man ihn eben kennt. Er steht für Stabilität, für die Große Koalition, da und dort noch immer für das rote Hartz-IV-Trauma, an dem er als Generalsekretär mitgewirkt hat. Er ist kein Sympathieträger an der Basis. Für eine vergleichsweise sanfte Kurskorrektur, aber mit neuen Gesichtern, wirbt auch das Paar Boris Pistorius und Petra Köpping: Niedersachsens Innenminister und die Integrationsministerin in Sachsen setzen auf „Sicherheit“ in allen Facetten: Das Thema gilt als offene Flanke.

Nur noch 15 Kandidaten

Das prononciert linke Bewerberfeld ist indes zersplittert. Ob es Chancen hat, hängt auch davon ab, ob Kandidatenpaare zugunsten anderer aussichtsreicherer Bewerber verzichten. Und genau das haben die Oberbürgermeister Alexander Ahrens und Simone Lange am Mittwochabend in Saarbrücken getan. Sie zogen ihre Bewerbung zurück. Da waren's also nur noch 15 Kandidaten. Zuvor übten die beiden aber Kritik am Zustand der SPD: „Die Leute haben das Gefühl, dass wir beliebig geworden sind.“ Fortan wollen Lange/Ahrens das Duo Norbert Walter-Borjans, Ex-Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, und Saskia Esken unterstützen. Schon Juso-Chef Kevin Kühnert favorisiert die beiden.

Zwei Fragen werden die Kandidaten medial begleiten: Erstens, ob die SPD die GroKo sprengen, und zweitens, ob sie deutlich nach links rücken soll. Ein anderer Saarländer würde sich das wünschen: Oskar Lafontaine, der ehemalige SPD-Chef, der dann zur heutigen Linkspartei überlief.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2019)

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