Ai Weiwei soll ein Steuersünder sein

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Die Machthaber in Peking wollen den Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei mit dem Vorwurf der massiven Steuerhinterziehung politisch ausschalten. Ai Weiweis Angehörige wiesen die Vorwürfe zurück.

Peking. Sieben Wochen nach der Festnahme des Künstlers und Regimekritikers Ai Weiwei haben die Pekinger Behörden erstmals genauere Hinweise darauf gegeben, welche Anklage gehen ihn erhoben werden könnte: Eine Firma unter der Kontrolle des Künstlers Ai Weiwei habe „riesige Mengen“ Steuern hinterzogen. Außerdem habe Ais Unternehmen „Beijing Fake Cultural Development Ltd“ vorläufigen Ermittlungen zufolge vorsätzlich Buchhaltungsunterlagen zerstört, meldete „China Daily“ (online) am Wochenende.

Weiters heißt es dort: „In der Zeit, in der Ai Weiwei sich unter Hausarrest befand, wurde sein gesetzmäßiges Recht auf die Begegnung mit Menschen, die mit ihm leben, sichergestellt, wie die Polizei mitteilte.“

„Von Anfang an illegal“

Ai Weiweis Angehörige wiesen die – zuvor in chinesischen Medien allgemeiner formulierten – Vorwürfe vorsätzlicher Wirtschaftsdelikte gegenüber Journalisten zurück: Dies sei „ein Vorwand, um den Künstler zum Schweigen zu bringen“, erklärte seine Schwester Gao Ge. Auch besitze nicht Ai Weiwei, sondern dessen Ehefrau Lu Qing die „Beijing Fake Cultural Development Ltd“. Doch niemand sei bisher bei Frau Lu Qing aufgetaucht, um mit ihr über die Firma zu sprechen. Ai Weiwei sei auch nicht für die Buchführung zuständig gewesen: „Er wusste genau, dass die Behörden seine Konten und Finanzen im Auge hatten“, sagte eine Freundin der Familie.

Jedenfalls erwartete die Familie Ai Weiweis kein gerechtes Verfahren gegen den Künstler und prominenten Regimekritiker. Den Angehörigen seien bisher weder irgendwelche Papiere noch Beweise für seine Vergehen vorgelegt worden, berichtete Gao Ge. Stattdessen würden die Vorwürfe einfach über die staatsnahen Medien verbreitet: „Die ganze Sache ist von Anfang an illegal, deshalb erwarten wir auch kein rechtmäßiges Ergebnis.“

Seit der Festnahme Ai Weiweis am 3.April am Pekinger Flughafen vor seinem Abflug waren gleich mehrere Mitarbeiter des Künstlers ebenfalls verschwunden, darunter die Buchhalterin Hu Mingfeng.

Die Meldung von „China Daily“ bestätigte die Vermutung, dass die Polizei Ai Weiwei unter einer Art „Hausarrest“ festhält, die es ihr ermöglicht, die Zeit bis zu seiner offiziellen Verhaftung – ohne Zugang zu einem Anwalt und ohne offizielle Anklage – hinauszuzögern.

Das chinesische Gesetz ist unklar – und dieses Schlupfloch nutzen die Behörden offenbar. Seine Frau Lu Qing durfte Ai vorvergangene Woche erstmals sehen, für 20Minuten in Gegenwart von Polizisten. Dem Friedens-Nobelpreisträger Liu Xiaobo, der im Dezember 2009 zu elf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, war es ähnlich ergangen: Die Polizei holte ihn im Dezember 2008 aus seiner Wohnung und hielt ihn ein halbes Jahr an unbekanntem Ort fest, bevor er formal verhaftet wurde.

Chinesische Freunde sehen in Ai Weiwei das Opfer einer politischen Hexenjagd. Seine Verhaftung hat aber auch weltweit empörte Proteste ausgelöst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2011)

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